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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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in der Nähe der Schiffsküche. Sie war sehr zufrieden mit sich, als sie schließlich vor der schmalen weißen Tür des Passagiersalons stand. Sollte sie anklopfen oder einfach eintreten? Während sie noch zögerte, öffnete sich ein Stück entfernt eine Kabinentür und ein Mann kam auf sie zu. Rhia erkannte den Herrn im braunen Mantel, dem Miss Hayter so viel Respekt zu zollen schien. Sein Äußeres war kaum bemerkenswert, wären da nicht sein wächserner Teint und die ausdruckslose Miene gewesen. Er interessierte sich genauso sehr für sie wie sie sich für ihn und wirkte nun ziemlich ungehalten.
    »Haben Sie Erlaubnis, sich am Oberdeck aufzuhalten?«, wollte er wissen,
    »Sind Sie ein Offizier auf diesem Schiff?«, gab Rhia ohne nachzudenken zurück.
    »Ich bin Agent der Regierung Ihrer Majestät auf diesem Schiff. Mein Name ist Wardell.«
    »Reicht es denn nicht, dass wir Lakaien für die Gefängniswärter und Schiffsoffiziere sind? Stehen wir jetzt auch noch unter dem Kommando von Whitehall?« Es wäre vielleicht schlau gewesen, wenigstens demütig zu tun. So würde sie schnell auf der schwarzen Liste des Gouverneurs landen. Mr Wardells Miene veränderte sich kaum, abgesehen von einer erhobenen Augenbraue.
    »Ihr Name?«
    »Mahoney. Ich bin zu privatem Dienst abgestellt und mit Mr Reeve hier im Salon verabredet.«
    »Nun gut. Dann los.« Wardell öffnete die Tür zum Salon und trat selbst ein, ohne ihr den Vortritt zu lassen oder ihr die Tür aufzuhalten.
    Drinnen saßen zwei Damen auf den Diwans und nippten an dampfenden Gläsern. Sie trugen hübsche Reisekleider mit weißen Spitzenhandschuhen. Rhia konnte heiße Schokolade und Buttergebäck riechen, und ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Sie war wohl auf dem Weg der Genesung. Sie hätte alles für eine Scheibe von Beths Ingwerkuchen gegeben. Die Damen blickten durch sie hindurch. Dann war sie also tatsächlich unsichtbar.
    Rhia suchte die kleinen Grüppchen von Männern ab, die herumstanden oder an den Tischen saßen, sich unterhielten und Zigarren rauchten, ehe sie Mr Reeve entdeckte. Er hatte ihr den Rücken zugedreht und war über einen Tisch in der Ecke des Raumes gebeugt. Neben ihm, ebenfalls mit dem Rücken zu Rhia, stand ein großgewachsener Mann mit zotteligem dunkelblondem Haar. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Er erinnerte sie an Laurence Blake. Der Mann drehte sich herum.
    Die Welt stand still.
    Es war Laurence. Rhia öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und schloss ihn dann schnell wieder. Sie zwang sich dazu weiterzugehen, durch den Zigarrenrauch hindurch, an einer Platte mit Sandwichs vorbei. Sie wusste nicht, was sie sonst hätte tun sollen. Laurence hatte sie erwartet. Sein Gesichtsausdruck signalisierte ihr, dass sie nichts verraten sollte. Irgendwie gelang es ihr, das Zimmer zu durchqueren und den Blick von seinem Gesicht abzuwenden.
    Mr Reeve nickte ihr gleichgültig zu, als würde er mit seiner Autorität experimentieren. »Guten Tag, Miss Mahoney. Mr Blake und ich diskutieren gerade die feinen Unterschiede zwischen diesen beiden Exemplaren. Mr Blake ist von Beruf fotogener Zeichner.« Mr Reeves Gesicht war ein wenig gerötet, und Laurence’ Gegenwart schien ihn ganz aufgeregt zu machen. Möglicherweise galt sein Enthusiasmus gleichermaßen seiner Arbeit wie dem Status und Respekt, die selbige ihm einbringen konnte.
    Rhia versuchte sich auf die getrockneten Blätter zu konzentrieren, die in einer säuberlichen Reihe auf dem Tisch lagen. Dahinter befand sich ein kleiner Turm aus hölzernen Behältern, jeder so flach wie eine Zigarrenkiste, aber länger. Sie war nur noch wenige Zentimeter von Laurence entfernt und konnte seinen Blick spüren. Sie hatte keine Vorstellung davon, wie sie auf ihn wirken musste, denn sie hatte schon so lange in keinen Spiegel mehr geschaut, dass sie vergessen hatte, wie sie mit Haaren aussah, ganz zu schweigen ohne Haare.
    Schließlich wandte Laurence sich an Rhia. »Fällt Ihnen irgendein Unterschied zwischen den Blättern auf, Miss Mahoney? Ich sehe partout keinen.« Sie hörte seinen neckenden Unterton heraus, doch Mr Reeve würde dieser sicher entgehen.
    Sie betrachtete die Reihe zerbrechlicher, graubrauner Exemplare aufmerksam und zwang sich dazu, sich zu konzentrieren. »Es gibt einen Unterschied im Muster der Adern«, flüsterte sie schließlich, denn sie traute ihrer eigenen Stimme kaum.
    Mr Reeve lachte glucksend und offensichtlich erfreut. »Wie ich sehe, hat man Sie mir nicht ohne Grund

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