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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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Unterhaltung. Es vertrieb die Zeit.
    Oben auf dem Achterdeck saß jede Gruppe für sich in einem Nähzirkel unter einer Plane aus Segeltuch. Ringsherum lagen in Reichweite kleine Haufen Patchwork-Stücke. Inzwischen waren mehrere Quilts am Entstehen. Die späte Aprilsonne schien übermäßig hell zu strahlen. Anfangs hatte es Beschwerden über das Sonnenlicht gegeben. Es schmerzte in den Augen, nachdem sie so lange in der Dunkelheit gewesen waren.
    Rhia war leicht ums Herz, weil sie jemanden zum Reden hatte. Bisher hatte sich ihre Kommunikation mit den anderen Gefangenen auf ein gelegentliches Lächeln oder ein vorsichtiges Hallo von Jane beschränkt. Jane verdrehte vor allem gern die Augen in Rhias Richtung, wenn Georgina, ihre Erzrivalin, etwas Dummes von sich gab. Das kam ziemlich häufig vor, da Georgina, eine plumpe Liverpoolerin, nicht gerade die Hellste war.
    Margaret verbrachte den Morgen damit, ihre Stoffstücke zu inspizieren. Sie steckte einen hübschen Musselin ein, der sie an ein geliebtes Kleid von früher erinnerte. Da war sie nicht die Erste. Wenn ein Stück ganz besonders hübsch war oder einen Wert zu haben schien, wurde es klammheimlich in die Schürzentasche geschoben, und niemand verlor ein Wort darüber. Nelly weinte, als sie einen weißen Gabardinestoff sah, und meinte, er sähe aus wie aus einem Brautkleid. Sie würde nie eine Braut sein. Wer würde sie schon haben wollen?
    Den Vormittag über lauschte Rhia wie immer den Unterhaltungen. So langsam bekam sie eine Vorstellung von den Leben ihrer Mitstreiterinnen, ehe sie zu Gefangenen wurden. Jane hatte sich verliebt, Georgina ein Kind verloren und Agnes ihre zwei kleinen Söhne in einem Arbeitshaus zurücklassen müssen. Der einzige echte Unterschied zwischen ihnen und Rhia war, dass sie vom Glück gesegnet gewesen war. Das machte sie hier zu einer Außenseiterin, genau wie diese Frauen von der Rajah es gewesen wären, wenn sie in den Laden am St. Stephen’s Green gekommen wären oder das Geschäft der Montgomerys betreten hätten. Was war der Ruin von Mahoney-Leinen gegen den Verlust ihrer Kinder oder dagegen, jeden Abend verprügelt zu werden. Das war Nelly widerfahren, bis sie ihren Liebsten umbrachte. Das Einzige, was sie vor der Schlinge bewahrt hatte, war ihre Schwangerschaft. Nelly sah aus, als könne sie keiner Fliege etwas zuleide tun, von einem Mann ganz zu schweigen. Er hatte mit dem Küchenmesser vor ihr herumgefuchtelt, also schlug sie ihm den Deckel des gusseisernen Topfes über den Schädel. Und das war’s!
    Diebstahl war nicht immer das Ergebnis davon, beim lieben Gott in Ungnade gefallen zu sein, wie Reverend Boswell das gern darstellte, sondern von Hunger und Verzweiflung. Oder Eitelkeit. Georgina hatte ein Paar Stiefel von ihrer Herrin gestohlen, Jane ein Stück Samtband vom Markt in ihrer Schürze versteckt. Susan hatte einen Schleier und ein Paar Handschuhe bei einem Tuchhändler mitgehen lassen. Agnes und Nora waren beide professionelle Diebinnen geworden, weil sie von den Näharbeiten ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten konnten. Sarah stahl einen Schal von ihrer Herrin. Es schien absolut nachvollziehbar, dass eine Frau, die den ganzen Tag daran arbeitete, hübsche Sachen herzustellen, die sie sich selbst nicht leisten konnte, leicht dazu verleitet werden konnte, jemanden zu bestehlen, der mehr als genug schöne Dinge hatte.
    Geschichten von Verlust und Gewalt, aber auch von Liebe machten die Runde, während Vierecke und Dreiecke bunten Stoffes zu langen Patchwork-Streifen wurden. Manchmal schien es, als würden sie Fetzen ihres alten Lebens zusammensticheln und daraus etwas Neues kreieren. Die Gespräche waren genauso oft voller Hoffnung wie voller Verzweiflung. Georgina erzählte, sie hätte gehört, dass es Sydney an Wirtshäusern mangelte. Dieses Gewerbe gefiel ihr, weil ihre Großmutter Brauerin gewesen war und Hopfen anzupflanzen nicht schwer war. Jane gab zurück, sie hätte nicht den Grips fürs Brauereigewerbe. Agnes hatte vor, ein Bordell zu führen. Rhia fragte sich, ob sie wohl als Einzige den besten Teil ihres Lebens hinter sich ließ.
    Die Unterhaltung wandte sich einem der jungen Gehilfen auf Deck zu, der den Hauptmast hinaufgeklettert war, als sei es der Stamm eines Apfelbaumes. Während die anderen über eine Bemerkung von Nora über die Beule in seinen Hosen lachten, beugte sich Margaret zu Rhia hinüber und senkte die Stimme: »Erinnerst du dich noch, wie ich dir erzählt habe, dass ich etwas für

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