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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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eingereiht. Eine von ihnen war Nora. Rhia stählte sich innerlich, doch Nora war immer noch zu krank, um ihr auch nur einen bösen Blick zuzuwerfen. Man musste sie sogar dafür loben, es bis an den Tisch geschafft zu haben.
    Miss Hayter räusperte sich und drückte den Rücken durch, als ob sie sich an ein Regiment und nicht nur an ein paar Frauen wenden wollte, die lediglich einige Armlängen entfernt saßen. »Wir sind gesegnet, dass es dank der Gnade und harten Arbeit der Ladys von der Convict Ship Society keine müßigen Hände mehr auf dieser Reise geben wird. In zwei Wochen fährt die Rajah , wenn wir weiterhin den Wind im Rücken haben, in den Hafen von Rio de Janeiro ein, das portugiesische Königreich von Brasilien.« Aus ihrem Mund klang es, als sei es ein großes Privileg, auf einem Gefangenenschiff ein anderes Königreich zu besuchen.
    »Jeder Quilt, also jede Patchwork-Decke, die rechtzeitig fertiggestellt wird, kann auf dem San-Sebastiano-Markt in Rio verkauft werden, und der Erlös fließt zurück an die Messe, die ihn genäht hat. Ich muss rasch hinzufügen, dass dieser Lohn treuhänderisch verwaltet wird, um … den Verlust während der Reise zu vermeiden. Man wird Sie täglich in Gruppen auf dem Achterdeck beaufsichtigen, damit Sie genug frische Luft und Licht zum Nähen haben.« Es wurde dann überprüft, wer von ihnen die begabtesten Handarbeiterinnen waren. Von den acht am Tisch waren sowohl Jane als auch Nell früher Näherinnen gewesen und Nora, überraschenderweise, eine Korsettmacherin, Agnes eine Hutmacherin und jemand anderer eine Musselinnäherin.
    Miss Hayter verlas sodann eine Liste mit Regeln: Ohne Erlaubnis durfte sich keine Frau an Deck aufhalten. Es wurden kein Glücksspiel und auch kein Verkauf von Kleidungsstücken und anderen Besitztümern geduldet. Es würde eine wöchentliche Einteilung geben, wer den Proviant aus der Schiffsküche zu holen hatte, und einen täglich wechselnden Abspül-Dienst. Jede Frau musste sich um ihre eigene Wäsche kümmern, und unter gar keinen Umständen durfte hierfür frisches Wasser verwendet werden. Meerwasser gab es zur Genüge (als müsste irgendjemand daran erinnert werden). Und zu guter Letzt wurde von jeder Frau erwartet, dass sie sich leise, ordentlich und respektvoll verhielt. Eine Liste von Abweichlerinnen wurde vom Superintendent geführt und bei ihrer Ankunft in Sydney dem Gouverneur übergeben.
    Die tägliche Routine stellte eine weitere Liste von Geboten dar. Bei Tagesanbruch waren die Hängematten und das Bettzeug aufzurollen und zu verstauen. Um 6.30 Uhr wurden die Wasserklosetts, Decks und Messen gereinigt. Erst danach wurden die täglichen Wasserrationen verteilt, zusammen mit der Ration an Keksen. Dann würde der Schiffsarzt diejenigen aufsuchen, die krank waren. Frühstück gab es um 8 Uhr, gefolgt von weiteren Putzarbeiten. Anschließend war Zeit zum Nähen. Nur bei gutem Wetter würde das Nähen auf dem Achterdeck stattfinden. Es gab eine Zeit am Tag, wo Limettensaft gegen Skorbut ausgegeben wurde und eine für eine gesundheitsförderliche Dosis Wein. »Halleluja, verdammt«, murmelte Agnes leise. Dienstag und Freitag waren Waschtage, Mittwoch zum Baden. In Meerwasser. Nach 20.30 Uhr durfte nicht mehr gesprochen oder irgendwelcher Lärm gemacht werden.
    Den Vormittag über nähten sie in schlechtem Licht saubere Säume rings um die Patchwork-Stücke herum. Das Mittagessen bestand aus einem Eintopf aus gepökeltem Fleisch mit Stücken groben Brots. Nora verlor kein einziges Wort. Sie saß mit zusammengekniffenen Augen über ihre Näharbeit gebeugt und hatte Schweißperlen auf der Stirn. Zum Glück war sie zu krank, um ihr übliches tyrannisches Verhalten an den Tag zu legen
    Mit jedem Stich rückte Rhias Nachmittag mit Mr Reeve näher. Sie ging davon aus, dass sie sich, als Dienstmädchen, zu nichts eine Meinung erlauben durfte. Sie war sich nicht sicher, ob sie in der Lage war, keine Meinung zu haben. Außerdem, wenn sie zwischen den Frauen unsichtbar sein sollte, weshalb sollte sie das dann auch bei jemandem wie Mr Reeve bleiben? Es tröstete sie lediglich, dass auch er nicht so recht zu wissen schien, was er mit diesem Arrangement anfangen sollte.
    Nach dem Mittagessen fand Rhia den Weg zum Passagiersalon fast ohne sich zu verlaufen. Einmal stand sie plötzlich am Eingang zu einem dunklen engen Gang, wo sie eine Treppe zwischen zwei Decks erwartet hatte. Aus dem Gang roch es nach gekochtem Kohl, also befand sie sich vermutlich

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