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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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hat?«
    Laurence schüttelte den Kopf. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, weshalb sie das hätte tun sollen. Ich schätze, sie könnte entschieden haben, dass sie es nicht verkraften würde Josiah wiederzusehen. Es ist unmöglich, das zu wissen.«
    »Es ergibt keinen Sinn«, stimmte Rhia ihm zu.
    Laurence zuckte mit den Schultern. »Das Dienstmädchen war schon immer … unberechenbar. Wobei ich zu gerne ihren Gedankengang verstehen würde, wenn es denn einen gibt. Nimm das Negativ mit, und sobald ich das Bild fixiert habe, lasse ich dir das Porträt von Albert bringen.«
    Rhia nickte. »Ist es schon vier?« Laurence zog eine Uhr aus seiner Westentasche.
    »Beinahe.« Er hob die Glasplatte hoch und zog vorsichtig das Negativ heraus. Dann schob er es in seine Hülle zurück und reichte diese Rhia. Als sie die Hülle sicher in ihrer Schürzentasche verstaut hatte, griff Laurence wieder nach ihrer Hand.
    »Rhia …«, begann er zögerlich, »du weißt, dass es eine Möglichkeit gibt, wie ich helfen könnte …« Sie wusste, was er sagen würde. Könnte sie Laurence heiraten? Wäre sie eine Närrin, es nicht zu tun? Es schien auf so viele Arten das Einzige, was ihr noch blieb. Sie mochte ihn, sie waren Freunde. Vielleicht würde der Rest noch kommen. Sie musste nachdenken. »Ich muss gehen. Sonst bekomme ich Ärger.« Hastig brach sie auf, ehe er noch etwas sagen konnte.
    Unten in der Messe saß Margaret am Tisch und tröstete die weinende Nelly, deren Bauch sich nun merklich rundete. Während Miss Hayter einen Disput schlichtete, wer das Geschirr hoch an Deck zu bringen hatte, winkte Rhia Margaret zu sich, als Nelly sich zum Weinen in ihre Hängematte zurückzog. Margaret lauschte stumm ihrer Beschreibung des Porträts, wirkte dabei jedoch zunehmend unglücklicher.
    »Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!«, sagte sie schließlich. »Was, wenn das Dienstmädchen am Ende doch recht hatte!« Margaret schloss einen Moment lang die Augen, dann sah sie Rhia direkt an. »Ich sollte es dir nicht sagen, aber unter den Umständen kann ich wohl schlecht noch ein Geheimnis bewahren, oder? Juliette glaubt, dass einer der Männer auf dem Bild ein Mörder ist.«

43
    K REUZSTICH
    Rhia lag in ihrer Hängematte und stieß sich mit der Hand von der Wand ab, um sie zum Schaukeln zu bringen. Das half ihr beim Denken. Wenn ihre Verhaftung etwas mit Ryans Tod zu tun hatte, dann wollte sie vermutlich jemand aus London forthaben. Warum? Und warum glaubte Juliette, dass einer der Männer auf dem Porträt ein Mörder war, und wie passte ihre Mutter in Sydney da mit hinein? Welchen der Männer hielt sie für einen Mörder, und wen hatte er umgebracht? Konnte es womöglich sein, dass einer der toten Männer der Mörder war, und somit sein Tod eine Art Rache darstellte? Je mehr sie darüber nachdachte, desto verwirrter wurde sie. Sie musste mit Laurence reden. Aber was, wenn er ihr einen Heiratsantrag machte? Dieses Risiko würde sie eingehen müssen.
    Sie schlüpfte aus ihrer Kabine. Auf Deck war alles still, und der Mond hing riesig am Himmel. Der Ozean wirkte pechschwarz, und Rhia fröstelte, als ihr ein weiterer Teil der Geschichte von Manannan und Rhiannon einfiel. Manannan erlaubte dem verlorenen Land unter dem Meer, nur alle sieben Jahre aufzutauchen. Sieben Jahre war die Länge ihres Strafmaßes.
    Auf dem ersten Stück des »Geheimgangs«, den Albert ihr gezeigt hatte, begegnete sie niemandem. Als sie sich jedoch der Schiffsküche näherte, tauchte plötzlich der Schatten eines Mannes auf. Ehe sie sich zurückziehen konnte, war der Koch schon fast mit ihr zusammengestoßen. Er murmelte etwas in seiner Sprache und hob dann die Laterne, um Rhia anzusehen.
    »Du bist Gefangene, was?«
    Sie nickte und fragte sich, ob er sie wohl verpfeifen würde. Sein Gesicht, das von der Laterne erhellt wurde, war ausgemergelt und apathisch, seine Augen seltsam leer. Im Hafen von Dublin hatte sie Seemänner gesehen, die auf Dschunken von Hongkong oder Kanton kamen und so aussahen. Nell, die Fischbräterin, nannte China »das Königreich der lebenden Toten«. Durch den dunklen Fluch des Opiums konnten sie weder die Welt der Lebenden noch die der Toten bewohnen. Wie Gefangene.
    Rhia wartete darauf, dass der Koch noch etwas sagen würde, doch er blieb stumm. Er trug eine ausgebleichte, farblose Tunika, Hosen mit weitem Bein und keine Schuhe. Sein dünner Unterarm wurde von einem chinesischen Schriftzeichen geziert. Aus irgendeinem Grund kam Rhia

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