Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
froh, Mr Donovans stinkenden Tränken entkommen zu sein.«
Sie nahmen ihre letzten paar Streifen Patchwork heraus, obwohl das Licht schlecht war. Es waren nur noch wenige Tage bis Rio und der letzte Quilt beinahe fertig.
Margaret sah aus, als wäre sie am liebsten zurück in ihre Hängematte gekrochen, aber sie blieb bei den anderen am Tisch. »Ich hatte da eine Idee«, sagte sie geheimnisvoll und machte eine Kunstpause.
»Nun komm schon, Dickson«, schnauzte Nora sie an, »raus damit.«
»Immer mit der Ruhe. Ich habe mir gedacht, dass wir ja alle von der Großzügigkeit der Damen in Grau, den Quäkerinnen, profitiert haben. Warum tun wir dann nicht etwas, um unsere Dankbarkeit zu zeigen?«
»Au ja!«, ließ sich Nelly vernehmen. »Aber was?«
»Ein Quilt, aber nicht so eine Tagesdecke wie die für Rio, sondern ein hübsches Stück, das sie irgendwo aufhängen können, mit einem Schriftzug darauf, wie dankbar wir für ihre Mühen sind.«
Ein Chor der Zustimmung ertönte.
»Das ist eine schöne Idee, Dickson«, meinte auch Miss Hayter. »Ich könnte die Gemahlin des Gouverneurs bitten, ihn mit dem nächsten Schiff nach London zurückzuschicken.«
»Bitten Sie darum, dass er bei Mrs Blake abgegeben wird«, sagte Margaret, »sie leitet das Convict Ship Committee. Sie hat viele von uns in Millbank besucht.«
Miss Hayter nickte wohlwollend. »Ich kenne Mrs Blake. Weshalb fangen wir dann nicht gleich heute damit an? Es würde uns von den Dingen … ablenken.«
»Ich könnte mit dem Kreuzstich beginnen«, bot Margaret an, »wenn man uns eine Lampe oder zwei genehmigen würde.« Das Lampenöl ging langsam zur Neige, deshalb war es verboten, bei Tag Laternen anzuzünden, aber mit der verschlossenen Luke hätte es genauso Nacht sein können.
»Ja, Dickson, da haben Sie recht. Man kann nicht von Ihnen erwarten, den ganzen Tag im Dunkeln zu sitzen.«
Einige der Frauen fingen an, ihre Patchwork-Flicken nach den hübschen Stücken zu durchsuchen, die sie aufgehoben hatten. Agnes hingegen saß mit verschränkten Armen und finsterer Miene da, und sowohl Georgina als auch Sarah hatten sich in ihre Betten gelegt.
»Dann ist dieser Quilt also nicht für den Verkauf?«, blaffte Agnes.
»So ist es«, erwiderte Margaret scharf. »Er ist ein Geschenk .«
»Also das ist ja eine der dümmsten Ideen, die ich je gehört habe«, grummelte Agnes. »Was soll denn das für einen Sinn haben.«
Miss Hayter schlug vor, eine hübsche Umrandung für die Widmung in blauer Lochstickerei zu fertigen – eine Art Applikation, die man aus Polsterei-Chintz ausschnitt und dann festnähte.
»Hat irgendjemand Chintz?«, wollte sie wissen. Falls eine der Frauen Chintz besaß, so sagte sie nichts. Es war ein teurer Stoff und würde sich, eines Tages, hübsch als Überwurf über eine Sessellehne machen oder ein Kissen aufwerten.
Rhia konnte es nicht ertragen, ihren Chintz zerschneiden und auf einen Quilt nähen zu lassen, den man zurück nach England schickte.
»Wir müssen uns erst genau den Entwurf überlegen, ehe wir anfangen«, erklärte Miss Hayter.
»Wie wäre es mit einem Medaillon-Design«, schlug Rhia vorsichtig vor, » mit konzentrischen Reihen …«
Agnes verdrehte die Augen. »Ach, halt’s Maul, Mahoney.« Sie runzelte die Stirn. »Was ist überhaupt konzentrisch ?«
»Streifen in einem Kreis, du Dummkopf«, zischte Nora.
Miss Hayter nickte. »Sehr gut, Mahoney. Wunderbar. Wenn jede von euch ein Band zusammennäht, dann hätten wir zehn Streifen.«
Sie verbrachten die Zeit bis zum Mittagessen damit, Muster und Farben auszusuchen, und vergaßen darüber, was oben an Deck vor sich ging. Dieser neue Quilt würde nach Hause reisen – er hatte eine Bedeutung.
Sie einigten sich, dass die Patchwork-Streifen von einem Feld in der Mitte ausgehen würden, auf dem Margarets Widmung stand, wie bei einem Medaillon. Zwei der Streifen würden wesentlich breiter sein als die anderen und von hinten mit schlichtem Leinen unterfüttert werden. Außerdem würden sie auf diesen beiden ein einfaches Blumenmotiv applizieren, wobei jedes Blütenblatt aus einem gemusterten Stoff bestand. Einer dieser breiteren Streifen würde dann das Mittelstück einfassen und der andere den äußeren Rand des Quilts bilden.
Rhia nahm ihr Nähezeug und setzte sich neben Margaret an ein Ende des Tisches. Aus der Nähe wirkte Margaret viel angespannter, als es zuerst geschienen hatte. Sie arbeitete so rasch, dass sie bereits fast einen ganzen Buchstaben gestickt
Weitere Kostenlose Bücher