Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
beschäftigt. Er hat mir erzählt, dass der Rumpf seit Jahren nicht mehr richtig ausgetrocknet worden war. Die Route zwischen London und Sydney ist inzwischen so gefragt, dass der Schiffsraum dringend neue Holzlatten brauchte, um alte, faulige zu ersetzen. Aber wir haben geredet. Michael hat mir erzählt, was in Sydney passiert ist, ehe wir abgereist sind, und was er weiß und was er vermutet. Was die Falschmünzerei betrifft, so erstaunt mich die Dreistigkeit. Opium und Falschmünzerei! Ich kann immer noch nicht glauben, dass Ryan in einen solchen Schwindel verwickelt gewesen sein soll, wobei ich es vielleicht einfach nur nicht glauben möchte. Könnte ich meinen Onkel so wenig gekannt haben? Und Isaac schien mir trotz seiner Launen kein Mann zu sein, der die Schwäche anderer ausnutzte. Doch nun, wo der Samen des Zweifels gesät wurde, fallen mir immer wieder Dinge ein. Zum Beispiel hat Isaac meine Unterhaltung mit Mr Montgomery bei Isabellas Geburtstagstee mit angehört. Außerdem kam er am Morgen des Tages meiner Verhaftung in den Laden und war allein im Lagerraum. Er hätte den Stoff dort deponieren und dann der Polizei davon erzählen können. Natürlich stand fast jeder, den ich in London kenne, für mich zu irgendeiner Zeit unter Verdacht: Grace und Isabella und sogar Mr Montgomery. Und natürlich Mr Dillon. Es ist schwer, jemandem zu vertrauen, wenn man verraten wurde.
Wir sind jetzt ein Stück weitergekommen, an Paddeldampfern und Jollen vorbei in einen der vielbefahrenen Kanäle, die zu den Docks des London Pool führen. Sie sagen, das ist der älteste Hafen entlang des Flusses. Es erscheint unmöglich, dass irgendein Schiff in der Schlange des Flussverkehrs je einen Platz zum Ausladen von Waren und Passagieren finden wird. Vor uns warten Dreimaster und Frachtkähne. Auf den Docks herrscht ein solches Gedränge, dass der Circular Quay in Sydney wie ein Mühlenteich wirkt. Ich packe meinen Füllhalter jetzt besser weg, denn wir werden demnächst anlegen. Mein Herz hämmert wie eine Zinntrommel.
Als Rhia an Deck kam, war ihr klargeworden, dass sie in London nichts mehr wollte. Sie würde Mrs Blake ihren Respekt zollen, Mr Montgomery aufsuchen, um die Angelegenheit mit dem gestohlenen Stoff zu klären, und dann ihre Überfahrt nach Dublin buchen.
Michael lehnte an der Reling und starrte flussaufwärts. Er trug seine wenigen Habseligkeiten in einem kleinen Segeltuchsack und hatte die breite Krempe seines Hasenfellhutes tief in die Stirn gezogen. Er reiste mit so leichtem Gepäck wie ein Matrose, und es sah nicht so aus, als hätte er aus seinem früheren Leben viel mitnehmen wollen. Eliza Green saß auf ihrem Koffer und beobachtete die akrobatische Vorstellung in der Takelage. Die Takler kletterten an den Masten hinauf, zogen Seile und Winden von hier nach da, bis jeder Teil des Segels säuberlich in Falten heruntergelassen war und an eine Rah oder Nock gebunden werden konnte.
Sie hatten beschlossen, zu dritt unangekündigt einen Besuch in der Cloak Lane abzustatten. Eliza, die seit Wochen wenig anderes getan hatte, als mit einer gebogenen Nadel Garnschlingen zu ziehen und über Juliette zu sprechen, war nun still und nervös. Rhia konnte sich nicht vorstellen, wie es sich anfühlen musste, ein Wiedersehen zu erwarten, an das sie nicht mehr geglaubt hatte.
Sie brauchten zwei weitere Stunden, bis sie endlich in einer Kutsche durch das mittägliche Getümmel in Cheapside und Cornhill fuhren. Es erschien nicht real. Michael ignorierte angestrengt das bunte Treiben und las stattdessen eine Zeitung, die er von einem Zeitungsjungen an den Docks gekauft hatte. Eliza häkelte wie eine Wilde. Es faszinierte Rhia immer noch, dass sie mit ihrem kleinen Holzhaken ein solch feines Netz spinnen konnte, ohne überhaupt auf ihre Hände zu sehen. In Cornhill war der Verkehr noch dichter als sonst. Sie waren nun zwischen einem Kohlenwagen und einem Fischverkäufer zum Stehen gekommen. Letzterer war ihnen näher, und der Gestank des heutigen Fangs überdeckte sogar den nach Dung und öliger Kohle.
Sie setzten sich wieder in Bewegung, und Michael sah gebannt auf die Straße hinaus. Seine Miene könnte Unnahbarkeit oder Desinteresse ausdrücken. Es gab jedoch viele Möglichkeiten, Gefühle zu verbergen, und dies war eben die seine. Rhia fragte sich, ob auch er an Greystones dachte, jetzt wo sie der Heimat so nahe waren. Sie warf einen Blick zu Eliza hinüber, die ihr Häkelzeug weggepackt hatte und an den Enden ihres neuen
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