Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
unten war so schlecht beleuchtet und schmuddelig wie jede Kneipe in den Rocks, und das Bier aus dem Fass wirkte zu dünn. Rum war wohl die bessere Wahl. Nachdem sie eine Ecke gefunden hatten, wo Calvins Uniform nicht zu viel Aufmerksamkeit wecken würde, machten sie es sich gemütlich und warteten.
Michael hatte es vermieden, dem Polizisten zu erzählen, wie nahe seine bevorstehende Abreise war, doch er konnte nicht einfach gehen, ohne sich zu verabschieden. Natürlich hatte er darüber nachgedacht. Er hasste Abschiede, und Calvin war hier in Sydney am ehesten so etwas wie ein Freund geworden, abgesehen von Maggie. Sobald sie ihr zweites Getränk vor sich stehen hatten, beschloss er, dass die Zeit gekommen war.
»Ich hab eine Überfahrt als Schiffsschreiner auf dem nächsten Schiff.«
»Ach ja?« Calvin schwieg einen Moment lang. »Teufel aber auch.«
»Ja.«
Calvin öffnete den Mund, um noch etwas hinzuzufügen, da tauchte einer der Männer von oben bei ihnen auf und wies mit dem Kopf in Richtung Straße.
Es ging los.
Sie warfen ihre Zigaretten in die Blechdose auf dem Tisch und erhoben sich leise. Calvin zog seine Pistole aus dem Stiefel und steckte sie in den Gürtel. »Es geht doch nichts über eine ordentliche Razzia«, sagte er. »Du darfst gerne mitmachen, Michael. Sieh’s als Abschiedsgeschenk.«
Michael zuckte mit den Schultern. »Warum nicht? Ich hätte eigentlich wissen müssen, dass du nie freihast.«
Drei oder vier der Männer von der Hafenbehörde standen schon unter dem schattigen Überbau von Micks vorderer Terrasse. Es dauerte einige Minuten, bis auch alle anderen lautlos rings um das Haus in Position waren. Michael fiel auf, dass das Gebäude fast genauso angelegt war wie das von Maggie, was praktisch war, denn dann wusste er, wo sich der Eingang zum Keller befand.
Man einigte sich darauf, dass vier Männer vorausgehen würden: Calvin, Michael und die zwei bulligsten Wachmänner würden versuchen, das Haus so leise wie möglich zu betreten und die Bewohner bei dem zu überraschen, was auch immer sie im Keller trieben. Das andere halbe Dutzend Männer würde ihnen auf Calvins Signal folgen. Er befahl ihnen, die Waffen im Gürtel zu lassen, bis er ihnen eine andere Anweisung gab. In letzter Zeit hatte es Probleme mit jungen Polizisten gegeben, denen der Finger zu locker am Abzug saß, und die eine rauchende Pistole als notwendiges Beiwerk ihrer Autorität betrachteten.
Die Operation ging reibungslos vonstatten. Micks Keller war ausgestattet wie eine unterirdische Küche. In einer tiefen Nische im Stein, die offensichtlich extra zu diesem Zweck hineingehauen worden war, prasselte ein Feuer, und an einem Eisenhaken über den Flammen hing ein Schmelztiegel. Dicker Rauch und Gestank lagen in der Luft. Michael erkannte mehrere der Gestalten, die um die Feuerstelle herumstanden, unter ihnen die Smith-Jungs, diese drei Narren. Ihre Mienen spiegelten Unverständnis und Erschrockenheit wider.
Auf einer langen Bank an der einen Wand befand sich eine Reihe von Feilen und anderes Werkzeug, mit dem Silber abgehobelt werden konnte. Die Späne wurden dann im Tiegel geschmolzen. Eine große Messingwaage stand auf einem wackeligen Tisch, zusammen mit Gussformen und Stempeln. Dort saß auch Mick the Fence. Er trug seine Stadtkleidung, hatte seinen roten Schopf und den Schnurrbart geölt und sein Hahnentritt-Gehrock war bemerkenswert sauber. Er blieb reglos sitzen, denn er wusste, dass die Sache gelaufen war. Nahe am Fuße der Treppe standen einige große, zugenagelte Teekisten, die vermutlich auf den Abtransport zum Hafen warteten.
»Guten Abend, die Herren«, dröhnte Calvin gut gelaunt, als er und seine Männer ein offensichtlich gut funktionierendes Unternehmen störten. Es gab ein kurzes hektisches Handgemenge, als die Smiths und ein weiterer Münzer versuchten, sich an Michael vorbeizudrängen, der am Fuß der Treppe stand. Ihm gelang es, zwei von ihnen aufzuhalten, indem er einen am Kragen packte und den anderen mit einem wohlplatzierten Faustschlag niederstreckte. Die anderen beiden kamen fast bis zum Ende der Treppe, wo sie einigen Polizisten in die Arme liefen. Nach einer lebhaften Rauferei, ordentlich vielen Flüchen, einem gebrochenen Arm und zwei blutigen Nasen (ein Münzer, ein Polizist) war die Sache erledigt. Mick saß immer noch da, sein Hahnentritt-Gehrock nach wie vor makellos.
Eine der Teekisten wurde aufgehebelt. Sie war bis zum Rand gefüllt mit glänzenden neuen Guineen von solch
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