Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
hochwertiger Qualität, dass Michael ein leises, beeindrucktes Pfeifen ausstieß. »Dein Auftraggeber in London wird sehr unglücklich sein. Das ist keine schlechte Falschmünzerei.«
»Vielen Dank, der Herr«, erwiderte Mick mit einer gespielten Verbeugung. Er stand auf, nahm seinen Mantel und legte ihn sorgfältig zusammen. Er schätzte seine Schneiderware zu sehr, als dass er sie ruinieren wollte. Mick besaß die stille Zuversicht von jemandem, der das Gesetz so gut kannte, als hätte er es selbst geschrieben. Genau wie der Botaniker vertraute er darauf, dass sein Auftraggeber ihn raushauen würde.
In den frühen Morgenstunden saßen Michael und Calvin rauchend auf der Veranda der Hafenbehörde, die Füße auf dem Geländer. Man hatte ihnen vor kurzem berichtet, dass eine kleine Gruppe des Militärs aus der George Street die Sea Witch geentert hatte. Calvin schenkte noch einmal von seiner Notration Rum in eine Blechtasse und reichte sie Michael. »Jetzt können wir genauso gut die Flasche noch leer machen. Wie ich schon sagte, ich lasse dich nur ungern ziehen.«
»Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass ich ungern gehe, aber du weißt, dass das nicht stimmt.« Michael hob seine Tasse und stieß mit Calvin an. »Auf dich, den besten Chief Constable der Hafenbehörde, den Sydney je hatte.«
»Ich bin der einzige Chief Constable der Hafenbehörde, den Sydney je hatte.«
»Aye. Dann bist du eben mühelos der beste. Mögest du an deinem nächsten freien Abend nächstes Jahr genauso viel Spaß haben.«
»Darauf trinke ich.«
Die beiden Männer saßen zusammen unter dem dunklen weiten Bogen des Himmels und lauschten den Wellen, die an die australische Küste plätscherten, jeder in seine Gedanken versunken.
Michael dachte an Annie. Würde sie ihn immer noch wollen, nach all der Zeit?
62
G EHÄKELTES
15. Februar 1842
Es dauert eine Ewigkeit, durch die Themse zu navigieren. Michael sagt, der Kapitän hatte eigentlich erwartet, dass wir bereits vor einer Stunde anlegen würden. Er und Eliza sind trotz der Kälte an Deck und schauen sich die Sehenswürdigkeiten an, aber mir ist es lieber, durch das Fenster des Salons zu blicken. Es ist ein anderer Ort als der, den ich vor zehn Monaten glaubte für immer zu verlassen, denn ich bin nicht mehr dieselbe. Der Himmel ist immer noch taubengrau. Der Fluss noch so braun wie Kakao. Der Tower und die Brücke sind beeindruckende Monumente der Zivilisation, ich jedoch weniger beeindruckt.
Die Reise selbst war ereignislos. Ich hatte natürlich schon damit gerechnet, seekrank zu werden, und fast erwartet, dass Manannan mir weiße Stuten in den Wellen zeigen würde und Geister bei Aufgang des Mondes, doch auf dieser Reise waren die See und der Mond bloß die See und der Mond. Mein Skizzenbuch ist voller Muster, deshalb habe ich auch bisher nicht zur Feder gegriffen. Es gab so wenig zu sagen. Die Überfahrt war ereignislos: keine Toten, keine Piraten und keine Faustkämpfe im Schiffsbauch.
Abgesehen von Mrs Green und zwei ältlichen, unverheirateten Schwestern waren wenige Frauen an Bord. Die Schwestern segelten vor einigen Jahren in der Hoffnung auf Ehemänner nach Van Diemens Land. Da sie jedoch keine fanden, die ihren Ansprüchen genügten – das behaupten sie zumindest –, reisten sie nach Sydney weiter. Sie sind weder jung noch attraktiv, soweit ich das beurteilen kann, wobei sie darauf beharren, dass es an Bewunderern nicht gemangelt hat, weder in Hobart noch in Sydney. Mrs Green freundete sich mit den beiden schon an, noch ehe wir am Circular Quay abgelegt hatten, als sich herausstellte, dass sie alle drei eine Leidenschaft fürs Häkeln teilen. Zusammen haben sie inzwischen einen ganzen Weidenkorb mit Baumwolldeckchen und Kragen gefüllt.
Ich selbst konnte einen Entwurf kaum fertigstellen, da sprang schon der nächste aus meinem Bleistift. Ich habe immer noch denselben kleinen Bleistift, den Mr Dillon mir an jenem Tag gab, aber ich benutze ihn nur sparsam. Ich weiß auch nicht, weshalb ich ihn aufgehoben habe. Meine Entwürfe haben einen frischen Geist. Sogar ich kann das sehen. Die Muster sind gestochener, und wenn ich meinen Farbkasten öffne, dann sind die Farben, die ich mische, kräftig und voller Licht. Ich habe sich wiederholende Muster von Jacarandas, Wattles und Waratahs entworfen. Ich glaube, sie werden sich auf Wolle sehr gut machen.
Michael habe ich während der gesamten dreizehn Wochen auf See wenig gesehen. Er war viel mit Reparaturarbeiten
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