Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
Betrunkenen umgeben waren.
Maggies Keller war aus Lehmziegeln gemauert, so dass es dort in der moschusartigen, unterirdischen Luft angenehm kühl war. Als sich Michael erhob, streckte und seine Hosenträger einknöpfte, dachte er an den Ofen, in dem diese Ziegel gebrannt worden waren. Er selbst war zusammen mit anderen Gefangenen, die nach der Überfahrt nicht halbtot gewesen waren, einem Brennofen zugeteilt worden. Sie hatten die Lehmgrube Hades genannt. Während der strapaziösen Tage im Hades hatte sich Michael rasch an die rapide steigenden Temperaturen gewöhnt, die während des australischen Sommers die Erde verbrannten. Doch an das nun bevorstehende australische Weihnachtsfest hatte er sich nie gewöhnt.
Als er die Treppe zu Maggies Küche emporstieg, hielt er einen Moment inne, um die Stille zu genießen. Sonntags herrschte immer eine wunderbare Ruhe in dem Bordell. Normalerweise saßen in der Früh ein halbes Dutzend der Mädchen in ihren Korsetts und dünnen Morgenröcken herum, tranken Tee und redeten über die Geschäfte der vergangenen Nacht. Da wurde kein Blatt vor den Mund genommen. Das lose Mundwerk von so mancher Dirne hätte sogar einen Seemann aus Bristol in den Schatten gestellt. Gelegentlich verspürte Michael mit den armen Kerlen Mitleid, die keinen hochbekamen oder die so mickrig waren, dass ein ganzes Zimmer voller Prostituierter über sie lachte.
An diesem Morgen war Maggie jedoch allein in der Küche, und es sah aus, als hätte sie sich gerade erst draußen am Kupfereimer gewaschen, denn ihr welliges braunes Haar war tropfnass, so dass ihr der dünne Stoff ihres Kleides an den runden Schultern und Brüsten klebte. Es handelte sich um Chinois, Seidenkrepp. Michael erkannte das Zeug aus einer Meile Entfernung, denn er hatte Annie auch mal ein Stück von seinen Reisen mitgebracht. Maggie liebte teure Dinge, und ihre Kleider betonten immer ihre körperlichen Vorzüge. Bescheidenheit war keine Tugend, wenn man sein Geld mit Prostitution verdiente.
»Guten Morgen, Michael.«
»Angenehm ruhig heute.«
»Stimmt. Mit den Mädchen ist es wie mit der Familie – ab und zu ganz angenehm, sie los zu sein.« Maggie schenkte Michael einen ganz besonderen Blick, den sie für die seltenen Momente aufhob, wenn sie allein waren. »Aber natürlich nicht so lange, wie du von den Deinen getrennt bist, mein Lieber.« Sie stellte den Eisenkessel auf ihren kleinen schwarzen Herd. »Magst du mit mir mittagessen? Ich hab da was Besonderes.« Sie wies mit dem Kopf in Richtung der offenen Tür, die auf die hintere Veranda führte, und Michael trat hinaus, um zu sehen, was sie meinte. An den Beinen zusammengebunden und bereits gerupft, hing dort ein wilder Truthahn von einem Balken. Michael stieß einen langgezogenen Pfiff aus.
»Und das ist noch nicht alles«, sagte Maggie grinsend. »Ich hab da ein Fläschchen aufbewahrt, und nachdem es nur noch ein paar Wochen bis Weihnachten sind, wäre ich durchaus bereit, schon jetzt mit den Festivitäten zu beginnen.«
»Sehr freundlich von dir, Maggie.« Das war in der Tat verlockend.
»Weißt du, Michael Kelly, wenn du nur wolltest, würde ich dir noch viel größere Freuden bescheren als Truthahn und Whiskey aus Rio.«
Michael seufzte gutmütig. »Wir wissen beide, wohin solche Gespräche führen.«
Maggie kicherte. »Sie könnten dort enden, wo du willst.« Langsam öffnete sie die Beine und beobachtete, ob sein Blick der davongleitenden Seide folgen würde. Angestrengt sah er ihr in die Augen.
Maggie zuckte lediglich mit den Schultern, als sei sie überzeugt, dass er eines Tages schon noch zur Vernunft kommen würde. Dann stand sie auf, um ihm seinen Tee zu machen. Um ihren Ofen wurde sie von jeder Hausfrau in den Rocks beneidet, die über dem offenen Feuer kochen musste. Wahrscheinlich gab es im Umkreis von Meilen keinen zweiten. Sie bewegte sich träge. Ihre Hüften zeichneten sich rund und glatt unter der Seide ab. Sie wusste, dass er sie beobachtete. Es war nicht so, dass er niemals in Versuchung gewesen wäre, sich in ihrem Bett zu vergessen, und er hatte in Sydney nicht als Heiliger gelebt. Die Einsamkeit packte sie alle irgendwann einmal, aber das war Jahre her, und er hatte es bereut. Allerdings war er nie mit einem von Maggies Mädchen im Bett gewesen, das hätte er nicht in Ordnung gefunden. Bis an die Grenzen von Gottes Erde gab es für Michael nur eine Frau. Inzwischen konnte er sich kaum noch an Annies Gesicht erinnern, aber ihre Herzen schlugen noch
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