Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
Ich bin einfach so, und wenn es etwas gibt, wie ich die Dinge zurechtrücken kann, dann werde ich es auch tun. Das wirst du nicht ändern können.«
Sie sah ihn scharf an, und für einen Moment herrschte tiefes Einverständnis zwischen ihnen. »Verstehe.« Sie schenkte nach. »Dann trinke ich jetzt auf deinen verdammten Kreuzzug. Möge dir ein langes Leben beschieden sein und die Rückkehr zu der glücklichen Frau, die du liebst.«
»Und ich trinke auf dich, Maggie, die anständigste Frau, die jemals ein Bordell geführt hat. Mögest auch du die Liebe finden!«
Da warf sie den Kopf in den Nacken und lachte, als wäre es das Lustigste, was sie je gehört hatte.
16
K REPP
7. Dezember
Ich bin zur fernen Stunde aufgewacht und hatte wieder Deinen Geruch in der Nase. Ich konnte nicht schlafen, also beobachtete ich stattdessen die Kerzenflamme, bis sie tanzende Muster auf mein Papier malte. Noch mehr Blätter, als müsse auch das letzte fallen.
Jetzt füllt Tageslicht die Schatten aus, und bald ist Zeit für Ryans Beerdigung. Das Ganze ist jetzt vier Tage her, und jeden Tag hatte ich das Gefühl, dass ich bei ihm sein sollte. Was ist, wenn er mir noch etwas zu sagen hat? Antonia wollte davon aber nichts hören. Ich bin sicher, sie denkt, ich bin einfach nur verstört, selbst nachdem ich ihr erklärt habe, dass in Irland ein Familienmitglied immer bis zum Begräbnis begleitet wird. Sie war wohl schockiert, als ich ihr erzählte, dass Leichen vor Dieben und Medizinstudenten beschützt werden mussten. Und vor den Elfen, würdest Du sagen. Sie versicherte mir, dass die Öffentlichkeit der anatomischen Medizin in England mehr Respekt zollt und es deshalb genug Nachschub an Verstorbenen gibt. Es mag zwar genug Nachschub an Leichen geben, doch in der Einstellung der Lebenden gegenüber den Toten spiegelt sich das nicht wider. Es ist, als würden die Toten nicht länger existieren und dürften nicht mehr erwähnt werden.
Mir kommt es vor, als sei ein ganzes Leben vergangen, dabei bin ich erst vor einer Woche hier angekommen. Mrs Blake und ich saßen am Freitagnachmittag in ihrer guten Stube beisammen und tunkten unsere Federn abwechselnd in ihr Tintenfass. Sie verfasste einen Nachruf, der in der Times veröffentlicht werden soll, und während ich den Brief an meine Mutter immer wieder neu entwarf, schrieb sie auf Briefpapier mit schwarzem Rand Nachrichten an Ryans Freunde und Geschäftspartner. Der Leichenschmaus wird heute Vormittag nach dem Begräbnis stattfinden.
Am Samstag bin ich zum Markt in der Petticoat Lane gegangen, um schwarzen Krepp und grünes Samtband für ein Wappentuch zu erstehen. Seither verbringe ich die Vormittage nähend mit Mrs Blake und Juliette. Juliette ist ständig unglücklich. Sie spricht kaum und krümmt die Schultern, als trüge sie die Sündenlast aller Katholiken. Jetzt, wo es mir selbst so elend geht, lastet ihre Traurigkeit schwer auf mir. Ich habe ein Wappentuch für den Sarg und einen Umhang für mich genäht. Ich kann mich kaum überwinden, ein schwarzes Gewand anzuziehen, aber ich muss. Allerdings nur für die Beerdigung, denn Ryan hat mir einmal erzählt, dass er die übertriebenen Trauergewohnheiten der Engländer extrem trist findet. Lieber würde ich den bedruckten Stoff tragen, den ich in seinem Zimmer gesehen hatte: goldene Blätter, die auf Smaragdgrün herumwirbeln. Dieser scheint mir ein besseres Symbol für den Tod darzustellen als schwarzer Krepp. Eine Erinnerung daran, dass die fallenden Blätter des Herbstes den Baum erhalten, der im Frühjahr neues Laub trägt.
Dillon hat sich als Mittelsmann zu den Behörden angeboten, doch ich bin misstrauisch, was sein Interesse an Ryans Angelegenheiten betrifft. Laurence jedoch vertraut ihm. Ich kann nur hoffen, dass es nicht dumm von mir war, ihm zu erzählen, was ich wusste. Beide Männer haben nach einem Brief gesucht, den Mrs Blakes Mann vor seinem Tod an Ryan geschrieben hatte, und nun kann ich nicht schlafen, weil ich mich dauernd frage, was wohl darin stand. Vielleicht würde er Ryans seltsame Laune am Tag vor seinem Tod erklären. Ich gehe davon aus, dass er irgendwie in finanziellen Schwierigkeiten steckte.
Jemand ist draußen auf der Treppe. Ich werde bald wieder schreiben.
Rhia klappte ihr Zeichenbuch zu und strich mit der Hand über den dunkelroten Leineneinband. Es enthielt die Entwürfe, Skizzen und Ideen eines ganzen Jahres. Jetzt wechselten sich die »Briefe« an Mamo mit Zeichnungen von Efeu auf Steinmauern und
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