Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
im selben Takt. So war es immer gewesen. Sein Körper hatte noch nicht die Lust daran verloren, die verborgenen Öffnungen und dunklen Höhlen einer Frau zu erforschen. Aber inzwischen war er alt genug, seine Begierden mehr oder weniger zu beherrschen. Und sein Herz sehnte sich nur nach Annie.
Er setzte sich und trank Maggies duftenden Tee, während sie den Truthahn in den Ofen schob. Tee war ein Luxus in Sydney. Aber Maggie hatte immer einen großzügigen Vorrat. Sie kannte die richtigen Leute, und deswegen konnte sie alle nur denkbaren Lebensmittel bekommen, egal, ob sie verboten waren, Mangelware waren oder von den entferntesten Küsten Afrikas importiert werden mussten. Außerdem wusste sie, was auf der Straße so geredet wurde. Ihre Mädchen bekamen einen Bonus, wenn sie Maggie darüber informierten, falls ein Freier ihnen in einer schwachen Minute etwas Wichtiges anvertraut hatte.
Der Morgen verging äußerst angenehm, während Maggie ihre Verrichtungen erledigte und Michael den Entwurf für sein nächstes Pamphlet durchsah und sich Notizen machte. Mit dem nächsten Schiff würden sie neue Nachrichten aus Irland erhalten. Schließlich setzte sich auch Maggie und goss sich noch eine Tasse Tee ein. Sie hatten schon lange keine so ruhigen Stunden mehr miteinander verbracht, und Michael fragte sich, ob sie ihm irgendetwas sagen wollte. »Seit der letzten Razzia keine Probleme mehr?«
»Nein. Und wie du weißt, hatten die Burschen keine Ahnung, wonach sie eigentlich suchen sollten – das wissen sie in den seltensten Fällen. Diese jungen Bobbys meinen ja, nur weil sie das Gesetz vertreten, wären sie auch schlau.«
»Mein Glück, ansonsten hätten sie mich für die Stanhope-Presse drangekriegt.«
Maggie lachte. »Sie wussten ja nicht einmal, was das war, die Dummköpfe. Ich hab ihnen erzählt, dass hier mal ein Schuhmacher gehaust hat und dass das eine Vorrichtung zum Nähen von Schuhen sei, die er zurückgelassen hat.«
Michael grinste und genoss die Vorstellung, der Polizei von Sydney eins ausgewischt zu haben. Denn abgesehen von Calvin und seiner handverlesenen Truppe, waren es doch vorwiegend Verbrecher in Uniform. »Es ist immer noch so schrecklich ruhig in den Rocks.«
»Ich weiß, was du meinst. Irgendetwas hat die Jungs von der Straße geholt, und es riecht nach einem großen Deal. Aber ich würde dir raten, dich da rauszuhalten, Michael. Denk an deine Freiheit.«
»Ich denke an nichts anderes. Aber ich bin einfach neugierig. Und wenn die Smith-Jungs in eine Sache verwickelt sind, die ihren beschränkten Grips übersteigt, frage ich mich, wer das Ganze bezahlt.«
Maggie seufzte und holte die Whiskeyflasche aus ihrem Vorratsschrank. Sie schenkte ihnen beiden ein, und an der Art und Weise, wie sie die Lippen schürzte, wusste er, dass sie ihm etwas verheimlichte.
»Also gut, Maggie. Raus damit!«
»Versprichst du mir, nichts zu unternehmen, wenn ich es dir sage?«
»Auf keinen Fall.«
»Herr im Himmel, du bist wirklich ein Idiot.« Sie seufzte. »Aber du bist ein netter Idiot, deswegen will ich nicht, dass du Ärger bekommst.«
»Ich verspreche dir, wenn ich noch mal zu sieben Jahren verdonnert werde, dann mache ich dir hinten einen kleinen Anbau, wie du ihn immer wolltest. Dann hast du einen Rückzugsort von all der Unruhe deines Geschäfts.«
Maggie lachte. »Na gut, dann sag ich es dir eben. Aber nicht wegen des Anbaus, sondern weil ich weiß, dass du sonst jemand anderen fragst, und das ist gefährlich. Also, ich habe mitbekommen, dass in den frühen Morgenstunden Kisten mit verdammt schwerem Inhalt zu Micks Haus unten an der Kreuzung gebracht wurden. Und soweit ich weiß, wiegt Merinowolle nicht so viel.«
»Mick the Fence?«
Sie nickte.
»Also ist Mick dabei. Dann geht es tatsächlich um was Größeres.«
»Genau.«
Michael runzelte die Stirn. »Sobald dort ein Kommen und Gehen ist, wird auch im Hafen was los sein.«
»Du bist allein. Vergiss das bitte nicht, wenn dir wieder mal die Galle überläuft wegen der Industriellen , wie du sie nennst. Es ist eine Sache, wenn du dein Pamphlet schreibst und den rebellischen Geist anregst, oder wie du das auch immer nennst. Aber wenn du dich in die Geschäftemacherei eines einflussreichen Mannes einmischst, dann nageln sie dich ans Kreuz.«
»Immerhin haben sie das auch mit Jesus …«
»Wage es nicht, darüber zu spotten!«
Michael sah, dass es ihr ernst damit war, und er verspürte leichte Reue. »Mach dir keine Sorgen um mich, Maggie.
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