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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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Sein Blick war distanziert, sein Händedruck jedoch fest. Er erkundigte sich nach Laurence, und nachdem Mrs Blake erklärt hatte, dass dieser früh aufgebrochen war, um die Sargträger zu beaufsichtigen, fuhren sie schweigend über die London Bridge.
    Im kleinen verwilderten Friedhof von St. Andrew’s hatten sich vielleicht ein Dutzend Männer mit schwarzen Hüten und Mänteln versammelt, doch Rhia erkannte nur Mr Dillon wieder. Er stand ein Stückchen von der Gruppe am Grab entfernt. Sie vermutete, dass es sich bei seiner Anwesenheit um mehr als eine Respektsbekundung für einen Mann handelte, den er kaum gekannt hatte. Erwartete er, hier unter den Trauergästen ihres Onkels einen Hinweis zu finden, oder wusste er bereits, weshalb Ryan sich das Leben genommen hatte? Er begegnete ihrem Blick und verbeugte sich ehrerbietig.
    Die Sargträger erschienen und erledigten ihre traurige Pflicht tadellos. Rhia war erleichtert, dass sie beschlossen hatte, nicht dabei zu sein, als man Ryans Sarg zugenagelt hatte. Wie freundlich von Laurence anzubieten, sich um die Formalitäten zu kümmern, vor allem da es ihn ein wenig nervös zu machen schien. Rhia hätte sich bloß darum gesorgt, ob ihr Onkel bequem lag und es ihm im Sarg nicht an Luft mangelte. Es war lächerlich, aber sie konnte nicht anders.
    Laurence ging in der Reihe der Träger ganz vorn. Seine Hand stützte Ryans Sarg so behutsam, als trüge er einen wertvollen Gegenstand. Der Pfarrer wirkte etwas unaufmerksam und verlor immer wieder den Faden, als hätte er ganz vergessen, wo er sich gerade befand und was er tat. Der Gottesdienst war kurz. Ehe der Sarg hinabgelassen wurde, trat Rhia vor und legte ihr Wappentuch darüber. Als die Erde achtlos ins Grab geschaufelt wurde, stellte sich Laurence neben Rhia. Gemeinsam sahen sie zu, bis nur noch eine Ecke des Bandes durch das braune Erdreich schaute. Das Verschwinden dieses grünen Samtbandes unter der Erde raubte Rhia schließlich die Fassung. Die Unwiderruflichkeit des Ganzen zwang sie fast in die Knie. Antonia fasste sie sanft am Ellbogen, und Rhia fühlte, wie sie ein wenig schwankte. Einen Augenblick lang hielten sie sich gegenseitig aufrecht.
    Die Gruppe der Trauergäste war gerade dabei sich aufzulösen, als die letzten Erdklumpen an ihrem Platz lagen, da näherten sich zwei Herren. Der größere der beiden besaß das selbstbewusste Auftreten eines erfolgreichen Gentleman und schien von adliger Abstammung zu sein. Sein Begleiter war schmächtig, ging ein wenig gebeugt und war bescheidener gekleidet. Rhia nahm an, dass es sich bei ihm um einen Angestellten handelte.
    »Guten Morgen, Mrs Blake«, grüßte der hochgewachsene Herr. »Und das muss Miss Mahoney sein?«
    Rhia sah, wie Antonias Hand nervös nach ihrem Haar tasten wollte, bremste sich jedoch. Was war das für ein Mann, der die Quäkerin in Verlegenheit brachte? Antonia fasste sich jedoch rasch und lächelte ihr gütiges Lächeln.
    »Ja, dies ist Miss Mahoney, Ryans Nichte, und der Cousin meines Mannes, Mr Blake.« Antonia stellte die Herren als Mr Montgomery, einen Stoffhändler aus der Regent Street, und seinen Geschäftspartner Mr Beckwith vor. Rhia hatte Antonia Blake zuvor noch nie offizielle Titel benutzen hören. Tat sie dies wegen Mr Montgomery? Und falls ja, wie passte das zu den Wertvorstellungen ihres Glaubens? Rhia streckte die Hand aus, die Mr Montgomery ergriff. Ihre Blicke begegneten sich nur ganz kurz, doch sie verspürte ein leises Kribbeln, als sie in seine haselnussbraunen Augen sah. Es musste nützlich sein, eine solche Wirkung auf Frauen zu haben, dachte sie, wo doch die Kundschaft eines Stoffhändlers hauptsächlich weiblich war. Mr Montgomery wandte sich an Laurence.
    »Ah, Mr Blake. Ich habe gehört, dass Sie nach London gezogen sind. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus. Man sagt, Sie machen große Fortschritte im fotogenen Bereich.«
    »In der Tat«, erwiderte Laurence. »Falls Sie ein Porträt oder eine personalisierte Karte wünschen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.« Mr Montgomery schien Laurence ein wenig einzuschüchtern, wie Rhia feststellte.
    »Aber Mrs Blake hat doch schon ein Porträt von mir angefertigt! Oder vielmehr hat sie im Frühjahr in ihrem Garten ein Gruppenporträt aufgenommen.« Mr Montgomery wandte sein gut geschnittenes Gesicht wieder Antonia zu. Er war um die fünfzig, mit einem dichten Haarschopf in der Farbe von Zinn, und einem Teint, der an Sahnetoffees erinnerte. An seinen Augenwinkeln kräuselten sich

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