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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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in meinem Herzen bewahre ich die Erinnerung an ihre Schönheit. Mein Granada wird eine Blume sein, die nie verwelkt.«
    Joan ergriff seine zitternden Hände und küsste sie.
    »Es tut mir leid«, sagte er.
    »Das ist die Folge der schlechten Regierung der letzten Könige von Granada«, erklärte der Greis nach einiger Zeit. »Gelobt sei Allah! Fügen wir uns seinem Willen. Boabdil und seine Adligen haben ihre Strafe bekommen, aber erleiden wird sie das Volk.«
    Er verstummte kurz und grübelte, während ihn Joan bedrückt ansah.
    »Du glaubst, dass die Könige Ferdinand und Isabella gesiegt haben, nicht wahr?«, fragte der Alte nach einer Weile.
    »Ja, Meister.«
    »Nun, so scheint es. Jetzt werden sie ihre Freude am wunderschönen Palast der Alhambra haben, wo ich als Kind umhergerannt bin. Weißt du was, Joan? An seinen Wänden gibt es nasridische Inschriften, deren Kalligraphie und Materialien so meisterhaft sind, dass sie glauben werden, sie seien lediglich Verzierungen, Teil der prachtvollen Ausstattung. Doch eine Inschrift wiederholt sich dort ständig: ›Gott allein kann siegen.‹ Denk daran, Joan: Gott allein kann siegen. Du bist jung. Die Zeit wird es dir beweisen.«
    Joan dachte, dass ihm der Greis etwas sagte, was er nicht vollständig verstand. Doch der Meister wollte sich nicht näher erklären und berief sich darauf, dass die Zeit als Richter dienen werde. Der Schmerz und der prophetische Ton Abdalás trafen ihn trotzdem tief ins Herz, und er schrieb in sein Buch: »Gott allein kann siegen.«

54
    O bwohl Joan noch mehrere Jahre als Geselle arbeiten musste, war er schon ein richtiger Metallmeister, was er einem Werk zu verdanken hatte: einer achtzehnpfündigen Feldschlange aus Bronze.
    »Hoffentlich baut man mehr Kirchen und führt weniger Kriege«, klagte der alte Eloi, der mit Gabriel die Leidenschaft für Glocken teilte.
    Die größten Gussstücke der Zunft waren ursprünglich Glocken, die nun im Vergleich zu Geschützen selten geworden waren. Darum nannte man die Gießerzunft mittlerweile auch die der »Kanonengießer«.
    Eloi war besonders stolz auf seine Legierungstechnik. Er hielt sich für einen Alchemisten. Die Qualität der Bronzelegierung war entscheidend, denn die Artillerie schoss ungenau und verursachte manchmal, wenn die Kanonenrohre platzten, größere Verluste im eigenen Lager als in dem des Feindes. Während sich der alte Eloi offensichtlich größte Sorgen um die Qualität der Legierung machte, empfand Joan das Gleiche bei der Schussgenauigkeit.
    »Was nützt eine Kanone, wenn sie nicht trifft?«, fragte er seine Kollegen. »Soll sie etwa die Gegner mit dem Knall erschrecken?«
    Ihn überraschte, wie wenig sich die Truppen um die Genauigkeit kümmerten. Sie wurden von Adligen befehligt, und diese huldigten uneingeschränkt dem Ritterideal, dem zufolge der Kavallerieangriff die würdigste Kampfform war. Sie benutzten die Artillerie lediglich für große Ziele oder kurze Entfernungen.
    Da Bartomeu Joans Interesse kannte, überließ er ihm ein Buch, das ein Italiener auf Lateinisch geschrieben hatte und das das Zielschießen der Artillerie behandelte. Joan verschlang es leidenschaftlich und kopierte die maßgeblichen Grundsätze in sein kleines Lehrlingsbuch.
    Man berechnete den Elevationswinkel des Geschützes, die Ausrichtung auf das Ziel und die Kraft, mit der das Geschoss losflog, um einen genauen Schuss zu erreichen. Etwas Ähnliches geschah, wenn man eine Azcona oder einen Stein warf. Die Feuerkraft war entscheidend, und sie richtete sich nach der Länge des Kanonenrohrs, dem Kaliber, der Menge und Qualität des Pulvers sowie dem Gewicht des Geschosses. Was für Joan jedoch offensichtlich war, war es nicht für die meisten seiner Kollegen, die es für eine Frage des Glücks hielten, wie genau ein Fernschuss traf.
    Immer, wenn eine Kanone erprobt wurde, bot sich Joan als Freiwilliger an. Sie schossen am Hang des Berges Montjuic, und dies war ein gefährliches Experiment. Wenn der Guss einen Fehler aufwies, den man auf den ersten Blick nicht entdeckt hatte, konnte das Rohr platzen und die Schützen töten, obwohl sie, nachdem sie die Lunte angezündet hatten, sich in einen Graben flüchteten. Wenn man das Geschütz als sicher ansah, erprobte Joan unterschiedliche Pulvermengen, Elevationswinkel und Ausrichtungen.
    »Du wirst ja mehr zum Artilleristen als zum Kanonengießer«, scherzte Eloi. »Du denkst eher daran, die Kanone abzuschießen, als sie herzustellen.«
    »Man muss genaue

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