Am Horizont die Freiheit
Geschütze herstellen«, entgegnete Joan. »Und man kann nur gute Kanonen bauen, wenn man vorher gut schießen kann.«
Der alte Meister kratzte sich am Kopf und lächelte. Joan war ein aufgeweckter Junge.
»Wir müssen alle Geschütze gleich machen, es reicht nicht, dass sie aus derselben Form kommen. Die inneren Maße des Kanonenrohrs müssen ganz genau stimmen«, betonte Joan. »Außerdem sollte das Pulver in gleich großen Säckchen aufbewahrt werden, damit man immer genau dieselbe Menge verwendet. Und es muss eine einheitliche Qualität haben. Nur wenn wir all das erreichen, kann man auch entfernte Ziele treffen.«
»Aber glaubst du, unsere Käufer wollen wirklich ferne Ziele treffen?«, fragte Eloi.
»Sie verlangen keine genauen Geschütze für entfernte Ziele, weil sie nicht glauben, dass sie sich herstellen lassen.«
»Wozu sollen wir Zeit und Geld einsetzen, um ihnen etwas zu geben, wonach sie nicht verlangen?«, beharrte der alte Meister.
Da richtete sich der Junge stolz auf, blickte Eloi fest in die Augen und antwortete: »Weil wir die besten Kanonengießer der Welt sind.«
Der Alte lachte, klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Einverstanden, Junge. Deshalb wird es so sein.« Und er nickte zustimmend.
Er stellte seine alchemistischen Kenntnisse ganz in den Dienst der Sache. Sie bereiteten kein Schießpulver, das taten die Gewürzhändler, doch der Alte nutzte sein Laboratorium, um das Verbrennen des Pulvers und seine Kraft zu erproben. Er stellte fest, dass die Formel für das Schießpulver sechs Teile Salpeter, einen Teil Kohle und einen weiteren Schwefel sein musste. Von ihrem Lieferanten verlangten sie, sich streng daran zu halten. Danach ermittelte Joan, dass für den besten Schuss das Gewicht des Pulvers die Hälfte des Gewichts der Kugel betragen musste.
»Meister Eloi erzählt überall, dass du eher Artillerist als Kanonengießer bist«, vertraute ihm Gabriel eines Tages besorgt an.
»Genauso könnte er sagen, dass du eher Glockengießer als Kanonengießer bist«, entgegnete Joan lächelnd.
Gabriel hatte seinen Meistertitel mit einer schönen Glocke aus einer Kupfer-, Zinn- und Silberlegierung erhalten, die viel zarter und zerbrechlicher war als eine aus der sogenannten Geschützbronze. Tatsächlich zerbrachen Glocken leicht, wenn man sie goss, und darum war es eine anspruchsvolle Arbeit. Silber war das einzige Metall, das der Legierung den richtigen Klang geben konnte, und Gabriel hatte für sein Meisterstück den ganzen Betrag verwendet, den er in zwei Arbeitsjahren als Lehrling angespart hatte. Die Glocke war verhältnismäßig klein geraten, denn er hatte es sich nicht erlauben können, die Kosten für eine größere zu tragen. Trotzdem hatte sie einen harmonischen Klang, der dem Jungen zu Herzen ging. Die Meister, die seinen Entwurf angenommen hatten, waren vom Ergebnis beeindruckt gewesen, und Gabriel hatte zahlreiche Glückwünsche erhalten.
»Was Meister Eloi meint, ist, dass du ein guter Handwerker werden kannst, wenn du Kanonen herstellst, obwohl du dich dabei nie auszeichnen wirst. Die Feldschlange, mit der du deinen Meistertitel erhalten hast, war einwandfrei, aber dabei handelte es sich um ein ganz gewöhnliches Geschütz. Du hast dein Herz nicht hineingelegt. Du hättest ein außergewöhnliches Stück anfertigen können. Wie das Meisterstück, das du in der Buchhandlung geschaffen hast, außergewöhnlich war.«
Joans Blick verlor sich in der Weite. Sein Bruder und der Meister hatten recht.
»Vielleicht bin ich nicht mit dem Herzen dabei«, antwortete er nachdenklich.
»Du sehnst dich nach deinen Büchern, nicht wahr?«
»Ja, sehr. Aber ich habe gute Gründe, mich zu bemühen, einwandfreie Schüsse zu erreichen. Wenn ich ein guter Artillerist bin, kann ich damit meine Fahrt nach Italien bezahlen.«
Gabriel nickte zustimmend. »Ich verstehe«, sagte er.
»Anna ist in Neapel. Und ich vermute, dass unsere Mutter und unsere Schwester sich ebenfalls in Italien befinden. Die Schuldigen an unserem Unglück gehören zur Flotte Bernat de Vilamarís.« Joans Gesichtszüge waren hart geworden. »Durch die Seeleute in den Schänken erfahre ich von seinen Fahrten. Er hat gegen Türken und Venezianer gekämpft und das Königreich Neapel unterstützt. Danach hat er Krieg gegen Genua geführt und die Korsaren aus der Meerenge von Messina vertrieben. Jetzt ist er anscheinend zurück in Neapel.«
Gabriel blickte seinen Bruder erstaunt an.
»Und das alles erfährst du in den
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