Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
Vom Netzwerk:
Metall schützte und die so hart war, dass man sie selbst mit einem sehr spitzen Dolch nicht durchstoßen konnte. Manche schleppten einen langen Hammer im Gürtel und andere dünne Stahlstangen, deren Schlag jeden Knochen brechen konnte. Die Zunftmitglieder würden vor und hinter dem Verurteilten laufen. Vor ihm liefen der Gerichtsdiener, der an jeder Ecke Verbrechen und Urteil bekanntgeben würde, und der Henker, der ihm die Hiebe mit einer Peitsche nach der Art einer »neunschwänzigen Katze« verabreichen sollte. Der Hauptteil der Strafe bestand allerdings in der öffentlichen Verhöhnung, denn der Pöbel hatte seine Freude daran, Verurteilte zu beschimpfen und mit Unrat zu bewerfen.
    Die Zunft betrachtete Joan hingegen als unschuldig, und dieses Aufgebot sollte ihn beschützen. Die Nachricht hatte sich in der Stadt verbreitet, und als sich der Zug unter Trommelwirbeln in Bewegung setzte, hörte man nur ihren Rhythmus und das Horn des Gerichtsdieners, der an jeder Ecke befahl, für die Peitschenhiebe stehen zu bleiben. Die Trommeln verstummten, und der Gerichtsdiener verlas: »Joan Serra von Llafranc. Verurteilt zu hundert Peitschenhieben und zu zwei Jahren Rudern auf den Galeeren des Königs, weil er bei einer Messerstecherei einen Seemann der Flotte des Admirals Bernat de Vilamarí getötet hat.«
    Dann gab ihm der Henker zwei Peitschenhiebe, und der Zug bewegte sich zur nächsten Ecke weiter. Die Leute sahen den Jungen respektvoll an. Er musste etwas ganz Besonderes sein, wenn er dieses Aufgebot der mächtigsten Zunft verdiente.
    »Es heißt, dass es ein ehrlicher Kampf war«, murmelten die Männer. »Und dass der Seemann das Messer als Erster gezogen hat.«
    »Sie sollen ihn laufenlassen!«, rief ein anderer. »Sie sollen ihn freigeben!«
    An einer Ecke warteten Felip und seine Freunde, um Joan zu verspotten. Doch sie mussten ihre Hohnreden abbrechen und davonrennen, als ein Dutzend Schmiede auf sie losstürzte und die Eisenstäbe schwenkte.
    Was eine Schmach sein sollte, geriet schließlich zu einer Ehrung. Joans Augen füllten sich mit Tränen, als er sah, wie ihn seine Freunde beschützten, ermunterten und hochleben ließen.
    Joan und der Henker waren in den Schänken zusammengetroffen. Der Junge gehörte zu den wenigen Gästen, die seinen Gruß erwiderten, denn man hielt den Henker für einen Aussätzigen, einen Unglücksbringer, jemanden, den man nicht gern sah.
    Die Peitschenhiebe, die Joan abbekam, waren eine reine Farce, und das nicht, weil ihn der Henker verschonen wollte, sondern weil ihn die Schmiede gewarnt hatten, dass er für jede Strieme, die er auf Joans Rücken hinterlasse, zwei auf seinem eigenen abbekommen werde.
     
     
    Der Gerichtsdiener der Stadt war erleichtert, als er diesen ganz besonderen Verurteilten dem Rudermeister des Flaggschiffs
Santa Eulalia
übergeben konnte. Der Offizier unterschrieb die Empfangsbescheinigung, die Aufseher des Schiffs legten ihm einen Eisenring um den linken Fußknöchel und brachten ihn an Bord der Galeere. Vorher hatte ihn Gabriel umarmt. Er übergab ihm ein Bündel mit etwas Wäsche und sein neues Buch. Bartomeu und seine übrigen Freunde waren auch dort und verabschiedeten sich. Einer der Aufseher überprüfte das Bündel und wies die kleine Metallfeder zurück, doch er hatte nichts gegen zwei Vogelfedern einzuwenden.
    »Na, so etwas. Der Sträfling kann lesen und schreiben«, sagte er. »Aber das wird dir wenig nützen, wenn es ums Rudern geht.«
    Bernat de Vilamarí beobachtete ihn vom Schiff aus, und der Junge erkannte an seinem Aussehen, wer es war. Er richtete sich auf, um dem Blick des anderen standzuhalten.
    Als Joan die Deckplanken betrat, begann er zu beten. Doch das Gebet verhinderte nicht, dass sein Rachedurst wiedererwachte. Ihn überfiel abermals der Gedanken, dass der Admiral der eigentliche Schuldige am Unglück seiner Familie war. Und ihm wurde klar, dass sein Hass nicht mit dem getöteten Einäugigen oder mit den Kräutern der Hexe überwunden war. Er blickte zum Admiral hinüber und stellte fest, dass dieser ihn immer noch beobachtete. Vielleicht verstand Vilamarí, was der harte Blick des Jungen zu bedeuten hatte.

Dritter Teil

62
    D ie Galeerenaufseher zwangen Joan, sich vollständig auszuziehen, so dass sie ihn zu seiner Schande öffentlich entblößten. Der Arzt untersuchte ihn rasch, wobei er auch den Zustand seiner Zähne prüfte. Daraufhin erklärte ihn der Medikus für tauglich, seine Strafe zu verbüßen.
    Joan spürte die

Weitere Kostenlose Bücher