Am Horizont die Freiheit
Weg der Schande durch die Stadt geführt werden, allerdings nur hundert Peitschenhiebe erhalten. Diese sollten so ausgeführt werden, dass sie ihn nicht verletzten. Danach müsste er zwei Jahre als Galeerensträfling büßen und auf den Galeeren Vilamarís rudern. Der Kaufmann wollte den Admiral für die handwerklichen Kenntnisse Joans interessieren, damit er seine Strafe als Seemann verbüßen konnte, das aber lehnte der Admiral entschieden ab. Joan sollte rudern. Das größte Zugeständnis, das Bartomeu durchsetzen konnte, war, dass Vilamarí zähneknirschend zustimmte, dafür zu sorgen, dass sich die Seeleute nicht an Joan rächten.
61
D ie Grafschaften Roussillon und Cerdaña wurden friedlich wiedergewonnen. Anfang November, sobald die Sitzungen der katalanischen Landstände im Refektorium des Santa-Anna-Klosters abgeschlossen waren, das Joan so gut kannte, brach die Königsfamilie nach Zaragoza auf. Vilamarís Flotte, die nun in Barcelona ankerte, wurde nicht mehr gebraucht und erhielt den Befehl, nach Neapel auszulaufen, sobald gutes Wetter einsetzte. Die Verwandten König Ferdinands würden sie vielleicht benötigen.
Zur Vereinbarung zwischen Bartomeu und Vilamarí gehörte, dass die Strafe so lange aufgeschoben wurde, bis die Flotte am Frühlingsende abfahren sollte. Vilamarí gab sich mit dem Ehrenwort Bartomeus im Namen der Stadt und dem Elois für die Zunft zufrieden, so dass Joan im Hause Bartomeus bleiben konnte, bis es so weit sein würde. Der Infant Enrique nahm dies zustimmend zur Kenntnis, und man holte einen Richter, der das Urteil mit den vereinbarten Bedingungen ausfertigte.
Joan war tief entmutigt, als er erfuhr, welche Strafe ihn erwartete. Er hatte zwar sein Leben retten können, aber die öffentliche Schande war eine äußerst harte Buße, und die Galeeren waren noch viel schlimmer. Viele Männer starben, bevor sie die zwei Jahre abgeleistet hatten. Doch es waren nicht die körperlichen Mühen, die Demütigungen oder das elende Leben eines Ruderers, was ihm Sorgen machte. Auch wenn Vilamarís Galeeren nach Italien fuhren und in Neapel ankerten, er würde in einem schwimmenden Gefängnis sitzen, er könnte Anna nicht sehen und ihrer Familie nicht begegnen.
Ihr Vater drängte sie seit langem, einem Bewerber das Jawort zu geben, und mit einundzwanzig Jahren wurde sie allmählich immer älter. Sie könnte sich nicht viel länger widersetzen. Wenn Joan daran dachte, verzweifelte er beinahe. Wenn er seine Strafe verbüßt hätte, wäre sie schon verheiratet und hätte Kinder. Er dachte an Flucht, an eine heimliche Schiffsreise. Damit hätte er sich jedoch von Vilamarí entfernt und die Möglichkeit eingebüßt, etwas über das Schicksal seiner Familie zu erfahren. Er durfte auch nicht Bartomeu und Eloi verraten, die mit ihrem Ehrenwort für ihn gebürgt hatten. Damit würde er nicht nur seine Freunde entehren, sondern auch Zunft und Stadt, und beide würden ihn zum Tode verurteilen. In den Monaten des Wartens schickte er Anna zwei Briefe und erhielt einen von ihr zurück. Er ließ mehrere fertige Briefe zurück, die Bartomeu abschicken sollte, wenn sie ihm schreiben würde, doch dabei wiederholte er sich, denn er wusste nicht, was er ihr Neues sagen sollte. In keinem Brief wagte er es, seine Galeerenstrafe zu erwähnen.
Er durfte Bartomeus Haus verlassen, doch es war ihm verboten, in die Schänken zurückzukehren: Die Flotte überwinterte jetzt im Hafen von Barcelona, und die Seeleute besuchten oft die Wirtshäuser. Ihn frei zu sehen müssten sie für eine Provokation halten. Sie würden über ihn herfallen, um ihren Gefährten zu rächen.
Mehrmals besuchte er die Hexe von El Raval, weil er hoffte, dass sie seine Verzweiflung überwinden könnte, wie sie es früher getan hatte, doch meistens weigerte sich die Frau, mit ihm zu reden. Tatsächlich bekam er sie nicht zu Gesicht, wenn er es wünschte, sondern wenn sie Lust dazu hatte. Sobald sie ihn empfing, gab sie ihm keinen Zaubertrank und ermutigte ihn nicht einmal, indem sie ihm aus der Hand wahrgesagt hätte, sondern sie trank gemeinsam mit ihm einen Kräutertee und hörte ihm zu, wobei sie ihn mit ihren beängstigenden grünen Augen betrachtete, die ihn zuweilen an die Annas erinnerten. Sie redete wenig. Nur manchmal stellte sie Fragen, um seine Gefühle zu ergründen, und sie ließ ihn zu seinen eigenen Schlussfolgerungen kommen.
»Ich habe dich vor dem Hass gewarnt«, sagte sie. »Wenn du dich davon beherrschen lässt, verschlingt der
Weitere Kostenlose Bücher