Am Horizont die Freiheit
höher. Ein Unwetter näherte sich, und es gab keine Bucht, in der man Zuflucht suchen konnte. Darum gab der Kapitän das Kommando zum Sturmfestmachen. Die Segel wurden eingezogen, die Ruder ins Schiff geholt, und alle beweglichen Teile wurden festgezurrt. Regen und Wellen fegten übers Deck, und die Galeere sprang wie ein sich aufbäumendes Pferd hoch und nieder. Joan kümmerte sich um die Bücher und das Schreibmaterial, die er mit wasserdichtem Segeltuch schützte. Er verwahrte sie unter den Planken des Schiffes, damit das Wasser sie nicht wegspülen konnte.
Der Admiral stieg in seine Kajüte hinunter, und der Kapitän blieb zusammen mit dem Steuermann und dem Rudergänger auf dem Kampanjedeck, um sich zu vergewissern, dass das Schiff auf die Wellen zusteuerte. Wer konnte, floh unter Deck, doch es gab wenig Platz, und Joan blieb lieber auf dem Kampanjedeck, wo er sich mit einem Strick festband. Es war ein erschütternder Anblick zu sehen, wie die Wellen gegen das Heck schlugen und mehrere Meter hochstiegen, wie sie dann über den Seitengang sprangen und senkrecht auf das Rudervolk hinabstürzten und es mit dunklem und schäumendem Wasser überzogen. Die Sträflinge hielten so gut durch, wie sie konnten. Sie kauerten sich zwischen die Bänke. Die Ketten verhinderten, dass sie von einem Brecher weggespült wurden, doch sie litten unter den ständigen Erschütterungen und Stößen, und die Eisenketten quetschten ihre Glieder. Wenn das Schiff unterging, würden ihre Ketten sie in die Tiefe ziehen. Auch auf dem Kampanjedeck entkam man nicht dem Wüten des Unwetters, denn manche Wellen liefen quer über das ganze Schiff und überschwemmten alles.
Joan hatte noch nie einen derart wütenden Sturm auf hoher See erlebt. Sein Vater und dessen Gefährten hatten die Winde und Stimmungen des Mittelmeers genau gekannt, sie hatten sich nicht allzu weit vom Ufer entfernt, und wenn sie schlechtes Wetter vorausgesehen hatten, hatten sie Zuflucht in einer Bucht gesucht. Trotzdem veränderte sich das Meer schnell, und der Junge erinnerte sich an einen Sturm, der sie auf dem offenen Meer überrascht hatte, obwohl dieser nichts gewesen war im Vergleich zu dem, was er jetzt erlebte. Die Planken krachten, und das Schiff schien bei jeder Sturzsee entzweizubrechen. Die Galeere wurde übermächtig hin und her gestoßen, und man konnte kaum etwas tun, außer zu beten und sich sorgfältig festzubinden, um nicht ins Meer zu stürzen. Als der Sturm nach ein paar Stunden abflaute, war die Flotte so weit verstreut, dass man vom Deck aus kein anderes Schiff sah.
Da geschah es. Der Meer war immer noch heftig aufgewühlt, doch die Mannschaft lief schon vorsichtig auf dem Deck herum. Der Rudermeister kam zusammen mit einem Aufseher zu einer der Bänke am Bug, um die Schäden zu prüfen. Als sie sich auf dem Mittelgang befanden, schlug eine große Welle gegen das Schiff und schüttelte es wieder einmal gründlich durch. Sie banden sich rechtzeitig fest, doch plötzlich stürzte etwas auf sie herab. Es war Carles’ kopflose Leiche.
Beim Sturmfestmachen war es keinem Offizier eingefallen, den Körper herunterholen zu lassen. Die Angriffe der Vögel und die natürliche Verwesung hatten ihn schon stark entstellt. Gerade bei einem der letzten Stöße riss der Kopf vom Körper ab, und dieser stürzte aufs Deck, was unheilvolle Folgen für den Rudermeister und den Aufseher hatte.
Keiner der beiden erlitt schwere Verletzungen, aber sie bekamen einen tödlichen Schrecken. Die Nachricht verbreitete sich unter den Ruderknechten und der übrigen Mannschaft wie ein Lauffeuer. Es war ein allzu großer Zufall, dass der Körper des Jungen gerade dann hinabfiel, als der Sturm nachließ, und dass er jemanden traf, nämlich gerade den Rudermeister und den Aufseher. Sie waren nicht nur die Henker, sondern gaben sich auch größte Mühe, die Sträflinge zu plagen und ihnen das Leben unerträglich zu machen.
Man lachte, gab seine Kommentare ab und deutete eine letzte Absicht des Jungen an, der es auf diejenigen abgesehen habe, die ihn ungerecht gepeinigt und ihm schließlich das Leben mit Peitschenhieben entrissen hatten.
Nach der mutigen und stolzen Haltung, mit der Carles dem Tod entgegengetreten war, hatte nur noch dieser ungewöhnliche Akt der Herausforderung aus dem Jenseits gefehlt.
Man fand den Kopf nicht, und der Kapitän befahl, den Körper zusammen mit einem Stein in einen Sack zu stecken und sofort über Bord zu werfen.
Joan konnte es sich nicht
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