Am Horizont die Freiheit
musste sich an die Wand des Kampanjedecks lehnen, um nicht umzufallen. Er erstickte. Der Kapitän ließ einen muslimischen Sträfling kommen, der sie mehrere Worte auf Sarazenisch wiederholen ließ und ihnen beibringen musste, wie sie sich den Turban aufzusetzen hatten. Die Einzelheiten der Operation sollten ihnen an Land ausführlicher erklärt werden, doch sobald der Kampf beginnen würde, dürften sie nur diese Worte benutzen. Dabei handelte es sich um die gebräuchlichsten Befehle. Immer wieder ließ er alle diese Kommandos wiederholen. Manche schienen sie schon länger zu kennen. Der Junge erschauderte, als er begriff, dass auch er sie zuvor schon gehört hatte. Vilamarí würde bald das gleiche Verbrechen wie damals in seinem Dorf begehen. Als er ans Ende des Kampanjedecks hinüberblickte, sah er, dass der Admiral dort saß und sie in aller Ruhe beobachtete. Joan empfand diesem Mann gegenüber eine Mischung aus Furcht, Wut und grenzenlosem Hass.
»Herr Kapitän«, sagte er zu Perelló, nachdem die Zusammenkunft beendet war und sich die Gruppe aufgelöst hatte, »ich kann nicht mitkommen. Ich bin sehr krank, ich kann mich überhaupt nicht auf den Beinen halten.«
Joan musste nichts vortäuschen. Er fühlte sich tatsächlich krank. Ihm drehte sich der Magen um, und seine Beine gaben nach. Der Kapitän blickte ihn mit einem Lächeln an, in dem sich Mitgefühl und Geringschätzung vermischten.
»Angst, Junge?«, sagte er. »Die haben wir alle einmal gehabt. Aber das ist jetzt nicht der richtige Moment. Der Admiral hat mir befohlen, dass ich dich sofort aufhängen soll, wenn du dich weigerst, mitzukommen.«
Joan blickte zum anderen Ende des Kampanjedecks, wo Vilamarí immer noch saß. Er beobachtete sie, und ganz gewiss wusste er, worüber sie sprachen. Doch seine Miene verriet nichts.
»Der Admiral hat dir Sonderrechte eingeräumt, Junge«, sagte der Kapitän weiter. »Alle wissen das, und es würde einen schlechten Eindruck machen, wenn sich erwiese, dass du sie nicht verdienst.«
»Das würde der guten Ordnung des Schiffs schaden, nicht wahr?«, stieß Joan wütend hervor.
»Ja«, antwortete der Kapitän und lachte laut. »Aber es würde dir noch mehr schaden, wenn du von da oben herabbaumeltest.«
Der Junge erinnerte sich an das makabre Bild, wie Carles’ Leiche hin und her schaukelte. Ihm wurde klar, dass ihn der Kapitän ohne mit der Wimper zu zucken aufhängen würde, um die vom Admiral geforderte Ordnung aufrechtzuerhalten.
Als es dunkel wurde, näherten sich die Galeeren der Küste, und das Admiralsschiff ließ die Schaluppe zu Wasser. Sie hatten abnehmenden Mond, der hell genug leuchtete, um einen kleinen Strand zu erkennen, an dem das Boot in mehreren Fahrten die Truppe auslud.
Joan trug die Arkebuse, die Lunte und das Pulver, das er sorgfältig auf kleine Säckchen verteilt hatte. Er hatte alles in einem Beutel aus geteertem Segeltuch verwahrt und konnte es vollständig trocken an Land bringen. Eine Armbrust schoss manchmal treffsicherer als eine Arkebuse, diese aber hatte eine größere Zerstörungskraft. Unglücklicherweise erinnerte sich Joan noch genau daran, wie sie den Körper seines Vaters zugerichtet hatte.
Ein sizilianischer Seemann führte sie zu einem Pinienwald, wo sie die Nacht verbringen sollten. Joan wusste, dass er kein Auge zutun würde und bot sich an, anstelle seiner Kameraden, die einen gesunden Schlaf hatten, zwei Wachen zu übernehmen. Er entfernte sich von der Truppe und hörte das Schnarchen der Schlafenden und das Zirpen der Grillen, während ihn der Piniengeruch an sein Dorf erinnerte. Zwischen den Nadeln der Bäume sah er den Himmel. Er war von unzähligen Sternen bedeckt. Der Mond schien mit seiner halben Sichel auf die Pinien herab. Der äußere Frieden milderte jedoch nicht die Hölle, die Joan in seinem Innern erlitt und die ihn daran hinderte, die Augen zu schließen.
Bis zu diesem Augenblick waren er und seine Familie die Opfer gewesen – doch nun sollte er selbst zum Henker werden, ohne dass er etwas tun konnte, um es zu verhindern. Er dachte daran, heimlich zu fliehen und nicht am Überfall teilzunehmen. Das hätte er auch getan, wenn die Strafe nur aus ein paar Peitschenhieben bestanden hätte. Aber man hatte ihm mit dem Aufhängen gedroht. Und ein Galeerenkapitän drohte nicht ohne Grund. Verzweifelt dachte er sich einen Plan nach dem anderen aus, doch keiner davon war zu etwas nütze.
Der Tag dämmerte noch nicht, als sie schon das aus
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