Am Horizont die Freiheit
wenn man bei Tag oder Nacht nach ihm verlangte. Er entdeckte ihn an einem großen Tisch im Speisesaal des ersten Stocks, beim Frühstück mit der Dame.
»Ein großer Schatz?«, fragte Vilamarí skeptisch nach. »Woher weißt du das?«
»Señor, ich habe gesehen, wie sie die Wagen beluden«, antwortete Joan. »Auf diesem Schiff fahren mehrere adlige Anjou-Anhänger.«
In den Augen Bernat de Vilamarís erschien ein besonderer Glanz. Dies war eine große Versuchung für den Seemann.
»Vorwärts!«, sagte er. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
Auf der Stelle zog er Straßenkleidung an, und dabei befahl er den Dienern, zwei Pferde zu satteln. Dann galoppierten sie zu den Galeeren. Joan fühlte sich im Sattel noch nicht allzu sicher. Hinter ihnen folgte der Diener, der die Tiere übernehmen sollte.
Die Galeeren fuhren los, als die Flut schon ihren höchsten Punkt überschritten hatte. Als sie am Castel Nuovo vorbeikamen, war die Karavelle schon ausgelaufen. Sie entdeckten sie erst, nachdem sie das Castel dell’Ovo bereits ziemlich weit hinter sich gelassen hatten. Joan vergewisserte sich, dass die Geschütze und die Musketen einsatzbereit waren. Als alles geregelt war, ließ er sich am Bug, weit von den Offizieren entfernt, auf ein paar Schießpulversäcke fallen. Die dramatischen Stunden und der fehlende Schlaf verlangten ihren Preis.
Die Karavelle fuhr durch die Meerenge zwischen den Inseln Ischia und Procida, und die Galeeren verfolgten sie wie Windhunde einen Hasen. Noch aber reichte die Entfernung aus, damit das Ergebnis der Verfolgungsjagd ungewiss blieb, denn der Südsüdostwind stand günstig.
Ungefähr auf halbem Weg zwischen Neapel und Gaeta war die verfolgte Karavelle nahe genug, damit die Galeeren sie angreifen konnten. Sie war noch nicht in Schussweite der Feldschlangen, doch Genís befahl, eine Salve als Warnung abzufeuern, um ihre Übergabe zu fordern. Joan folgte dem Befehl, und die Anjou-Anhänger antworteten, indem sie herausfordernd die französische Fahne an ihrem Mast hochzogen. Danach schossen sie mit einem Falkonett vom Heck aus auf die Galeere. Eine kleine Fontäne erhob sich im Meer. Der Schuss hatte nicht die geringste Chance, die Galeeren zu erreichen, doch er war ein Zeichen, dass die Karavelle ihre Flucht fortsetzte und bis zum Ende kämpfen würde, wenn man sie einholen sollte.
Als Vilamarí den Befehl gab, sich auf den Angriff vorzubereiten, wusste er nicht, dass die französischen Galeeren der Karavelle entgegenkamen. Sie eilten ihr mit voller Kraft zu Hilfe. Die Ausguckposten der
Santa Eulalia
meldeten kurz danach die Anwesenheit der feindlichen Schiffe. Der Admiral war beunruhigt, aber nicht bereit, die Jagd aufzugeben. Man würde die Karavelle entern.
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V ilamarí war sich des großes Wagnisses bewusst, das er auf sich nahm, und bedachte alle Möglichkeiten. Er wusste, dass eine Galeere trotz ihrer Kampfkraft und Schnelligkeit unter bestimmten Umständen von einer Karavelle besiegt werden konnte. Karavellen wurden zwar nur vom Wind vorwärtsgetrieben, doch sie hatten ein viel höheres Deck und einen stärkeren Bau. Die Taktik der Galeere bestand darin, seitlich anzugreifen, wo die Bordwand niedriger war, und über den Rammsporn an Deck zu steigen. Doch es gab Fälle, bei denen die vom Wind begünstigte Karavelle dem Angriff auswich und die Galeere parallel zu ihr liegen blieb, die sie wie eine Spinne fesselte, indem sie Haken hinüberwarf, um eine Flucht zu verhindern. In dieser Position konnte die Galeere ihre am Bug stehenden Geschütze und ihren Rammsporn nicht einsetzen. Die Lage war noch schlimmer, wenn die Karavelle über ein Geschoss verfügte, das erst seit kurzem auf dem Meer eingesetzt wurde: die Granate. Dabei handelte es sich um Holzgefäße, die mit Splittern und Schießpulver gefüllt waren. Sobald man die Lunte angezündet hatte und die Granate kurz vor der Explosion stand, warf man sie auf das feindliche Deck und verursachte schwere Zerstörungen, denn auf einer Galeere gab es kaum einen Platz, an den man sich zurückziehen konnte, wenn das Feuer von oben kam.
Der Admiral schätzte ab, welche Folgen das Erscheinen der feindlichen Schiffe hatte, die ihnen zahlenmäßig überlegen waren. Er überlegte, dass ihnen derselbe Wind entgegenblies, der die Karavelle vorantrieb, und dass ihnen also nur die Ruder nützten. Wenn er volle Kraft voraus befahl, würden sie vor dem Feind zur Karavelle kommen. Doch wenn die Franzosen sie mitten im Angriff erreichten,
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