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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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war frei!
    »Ist das wahr?«, fragte er und blickte den Admiral an.
    Dieser nickte zustimmend.
    »Das hast du den Freunden zu verdanken, die du auf der
Santa Eulalia
gewonnen hast«, erklärte der Admiral.
    Der Rudermeister teilte kurz danach der Mannschaft mit, dass Joan Serra wegen seines Ungehorsams bestraft werde und seine Stellung als Geschützmeister der
Santa Eulalia
verliere. Außerdem verbanne man ihn von der Galeere. Seinen Platz übernehme einer der Artilleristen, die vorher seinem Befehl unterstanden hätten.
     
     
    Als sich Joan von seinem Freund Genís verabschiedete, dankte er ihm für seine Hilfe. Doch dieser erwiderte: »Am meisten musst du Torrent danken.«
    »Torrent?«, fragte er erstaunt nach.
    »Ja. Er war dein größter Gönner.«
    »Er?«
    »Ja. Offenbar hat ihn gerührt, wie du deine Frau verteidigt hast«, erklärte Solsona. »Dass du dein Recht auf Liebe beansprucht hast, ist ihm zu Herzen gegangen.«
    »Er und gerührt?« Joan kam nicht aus dem Staunen heraus. Er sah Torrent als einen brutalen, jedes Gefühls unfähigen Seemann an. »Meine Worte sollen ihm also zu Herzen gegangen sein?«
    »Ja, und den anderen auch. Sogar dem Admiral, obwohl er es nicht zugibt.«
    Joan war verblüfft. Diese skrupellosen Männer, die ohne Zögern raubten, vergewaltigten und töteten, ließen sich von der Liebe rühren. Es fiel ihm schwer, das zu glauben. Sie waren zwar roh, doch Vilamarís Bemühungen, seine Offiziere durch die Lektüre von Büchern zu Leuten zu machen, die man den Honoratioren der von ihnen besuchten Städte vorstellen konnte, hatten einen gewissen Erfolg gebracht. Die Liebe und der verliebte Ritter, der für seine Dame alles hingab, sogar sein Leben, war Thema aller Ritterbücher. Ohne dass sich Joan darum bemüht hätte, fand er am Tag des Angriffs das einzige Argument, das Torrents Wut eindämmen konnte: die Liebe.
    Torrent verhielt sich beim Abschied schroff und anmaßend. Nachdem ihm Joan gedankt hatte, konnte er sich die Frage nicht verkneifen: »Habt Ihr mich beim Duell gewinnen lassen?«
    »Nein«, widersprach der andere abweisend. »Dir hat das Glück geholfen. Aber du hast gut gekämpft. Du hast deine Frau im ehrlichen Kampf errungen. Erfreue dich an ihr.«
     
     
    Sobald das Dokument über seine Entlassung unterzeichnet war, von dem er eine Abschrift erhielt, hatte Joan noch eine Frage, die er Vilamarí stellen wollte. Die, die er während all dieser Zeit auf der Galeere leidenschaftlich gern gestellt hätte, ohne es gewagt zu haben: »Wo habt Ihr die Gefangenen aus Llafranc verkauft?«
    Der Admiral blickte ihn gelassen an, ohne die geringste Spur von Schuldgefühlen oder Gewissensbissen. Er verbarg die Empfindungen, die der Junge in ihm weckte. Er sah die Opfer seiner Taten in weiter Ferne, als Schafe auf dem Weg zum Schlachthof, und ihre Leiden waren unangenehm, aber notwendig gewesen.
    Dennoch beantwortete er diese Frage, die er seit langem erwartet hatte, mit vier knappen Worten: »In Bastia, auf Korsika.«
    »Wie kann ich meine Mutter und meine Schwester finden?«
    »Korsika gehört zu Genua. Die Republik kontrolliert die Insel mit einer Konzession, die Genua der Banca di San Giorgio gemacht hat. Die Bank mischt sich bei allen Inselangelegenheiten ein, selbst beim Sklavenmarkt von Bastia. Sie hat ihren Sitz in einem großen Gebäude im Hafen von Genua. Vielleicht haben sie noch Dokumente über die Geschäfte, und du kannst erfahren, wohin sie weiterverkauft wurden.«
    Das war alles, was Joan brauchte. Er sagte knapp: »Lebt wohl, Herr Admiral.«
    »Leb wohl, Joan Serra von Llafranc. Viel Glück.«

Vierter Teil

104
    J oan sehnte sich danach, Anna in die Arme zu schließen, doch zugleich erfasste ihn eine sanfte Wehmut, die ihn den wunderbaren Augenblick der Begegnung hinausschieben ließ. Zögernd packte er seine Sachen zusammen und versuchte, seine Gedanken zu ordnen, bevor er die
Santa Eulalia
für immer verließ. Es kostete ihn Mühe, mit den Ereignissen der letzten Stunden fertig zu werden und sich zu überzeugen, dass es sich nicht um einen schönen Traum handelte, aus dem er jeden Augenblick erwachen konnte.
    Er betrachtete den Himmel über der Bucht von Neapel. Es war ein strahlend schöner Tag. Er hörte das Kreischen der Möwen und sah sie über dem blauen Meer fliegen. Er ging zum Bug. Er strich über die kalte Bronze der Kanonen, und gedankenversunken betrachtete er die Vögel. Sie waren frei. Wie er.
    Er schrieb in sein Buch: »Endlich frei. Anna ist auch

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