Am Horizont die Freiheit
glücklich war. Er streckte die Arme aus, um sie zu umarmen, doch sie wies ihn zurück.
»Ich werde drei Monate strenger Trauer für Riccardo einhalten«, betonte sie. »In dieser Zeit dürfen wir uns nicht sehen.«
»Darf ich Euch wenigstens von weitem sehen?«, flehte Joan. »Wie in der Zeit, als Ihr verheiratet wart oder als wir uns vor Euren Eltern in Barcelona versteckt haben.«
Sie lachte.
»Ja, natürlich«, antwortete sie und lächelte weiter. »Aber Ihr müsst verstehen, dass ich meine Pflicht erfülle.«
»Liebt Ihr mich?«
»Ja, und nach diesen Monaten dürft Ihr mir den Hof machen.«
»Den Hof machen?«, seufzte er. »Ich will, dass Ihr meine Frau werdet.«
»Ihr müsst mich überzeugen«, erwiderte sie und blickte ihn schelmisch an.
An seinem ersten Tag in Freiheit beeilte sich Joan, Briefe an Gabriel, Bartomeu, Abdalá und die übrigen Freunde zu schreiben. Er teilte ihnen die Neuigkeit mit und vergewisserte sich, dass die Briefe auf zwei unterschiedlichen Galeeren befördert wurden. Da Sommer war, berechnete er, dass er in einem Monat eine Antwort bekommen würde, wenn er Glück hätte. Ihm standen noch die zehn Monate Dienst in den Heeren des Königs bevor. Aber das war nicht so dringend. Er hatte ja eine Frist von fünf Jahren, und zuerst musste er seine Familie suchen. Er bat Antonello um Rat. Der Buchhändler sagte, er werde Fabrizio Colombo, einem genuesischen Kollegen, schreiben und ihn bitten, Nachforschungen in der Banca di San Giorgio anzustellen.
Joan dankte ihm überschwänglich. Während er auf Nachrichten aus Genua wartete, wollte er Mittel für die Reise und das mögliche Lösegeld zusammenbringen.
Dass sich Anna von Joan fernhielt, bedrückte ihn wie eine zentnerschwere Last. Sie verließ selten das Haus, und an manchen Tagen konnte er sie nicht einmal von weitem entdecken. Tausend Grübeleien quälten ihn. Seine Liebste war die Witwe eines Edelmanns und er ein einfacher Lehrling. Ängstlich wachte er mitten in der Nacht auf und erinnerte sich an ihre Worte, dass er ihr den Hof machen solle. Vielleicht müsste er mit einem anderen Mann wetteifern.
Antonello bot Joan Unterkunft und Verpflegung, und dieser bezahlte ihn, indem er in der Druckerei mitarbeitete. Der junge Mann spürte, dass er einen neuen Anfang machte, und um Annas Fehlen zu vergessen, verwandte er seine ganze Kraft darauf, diesen Beruf zu erlernen.
Er kannte sich schon mit Druckfarben, Papier- und Pergamentsorten aus. Was die Druckerei zu etwas Besonderem machte, waren die Lettern genannten Metallteile, die Buchstaben und Zeichen darstellten. Es ging darum, die Lettern in Reihen auf einer Setzschiff genannten Holzplatte zu setzen. Sie wurde von einem rechtwinkligen Rahmen gehalten, den man fest schloss, damit die Buchstaben nicht verrutschten.
Die Kunst des Setzers bestand darin, zu erreichen, dass die im Schiff zusammengestellten Lettern ein harmonisches Ganzes bildeten, bei dem man, ebenso wie bei Handschriften, Ränder und Anfangszeilen beachten musste. Das war die Matrize, um eine oder zwei Seiten zu drucken. Sie wurde Form genannt. Nachdem man sie fertiggestellt hatte, setzte man sie in die Presse ein und befeuchtete sie mit zwei Lederkugeln, die zuvor mit Druckfarbe getränkt wurden.
Am Ende wurde Papier oder, in einigen Fällen, Pergament eingelegt, und durch den Druck der Presse aus Eichenholz geschah das Wunder, dass die Druckfarbe in Gruppen von Buchstaben, Wörtern und Sätzen verwandelt wurde, die sich zu einzelnen Seiten ordneten. Und nachdem diese eingebunden waren, ließen sie ein Buch, dieses staunenerregende Werk, entstehen.
»Das ist ein mühsames Verfahren, doch sobald man es erlernt hat, bietet es keine großen Schwierigkeiten«, sagte Joan zu Antonello.
Dieser schüttelte den Kopf: »Jeder Beruf verliert sein Geheimnis, sobald man ihn erlernt hat«, entgegnete der Buchhändler. »Aber ein schönes Buch herzustellen bedeutet, ein Kunstwerk zu schaffen. Und der Buchdruck gibt dir die wunderbare Möglichkeit, dieses Kunstwerk oft zu vervielfältigen. Darum nennt man diesen Beruf auch Buchdruckerkunst.«
Joan war einverstanden. Noch erinnerte er sich an seine Ankunft in Barcelona und an das wunderschöne Buch, das im Laden der Corrós ausgestellt wurde. Natürlich war das ein handgeschriebenes Buch, und es war auf einer Seite aufgeschlagen, die eine Miniatur mit prächtiger Zeichnung und Farbe zeigte. Doch nun wurden schon Bücher gedruckt, in denen Zeichnungen als
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