Am Horizont die Freiheit
weitere Kunden vor, die zu seinen zahlreichen Freunden gehörten. Alle kauften Bücher, und Joan kam zu dem Schluss, dass viele die Bücher nicht aus Leselust, sondern aus Furcht vor Miquel erwarben. Sie wollten sich bei dem Valencianer beliebt machen. Miquel Corella war mächtig.
Joan machte ein gutes Geschäft. Er legte sich unter den Spaniern Roms einen bedeutenden Kundenstamm zu, und er entdeckte noch etwas. Papst Alexander VI . nahm vertriebene Juden und aus Spanien geflohene Konvertiten auf, die in Trastevere eine große Kolonie bildeten. Sie waren Finanzfachleute, Geldwechsler, Steuereinnehmer oder hatten Berufe, die ein Studium verlangten, und im Allgemeinen waren sie gute Leser.
Da ihre Familien viele Jahrhunderte in Spanien gelebt hatten, benutzten diese Juden das Hebräische nur für ihre religiösen Zeremonien. Deshalb bewahrten Konvertiten und auch Juden die spanische Kultur, und sie würden gute Kunden für seine Bücher sein.
Joan schrieb: »Wie kommt es, dass katholische Könige die Juden aus religiösen Gründen vertreiben dürfen, während der Papst, die höchste katholische Autorität, sie aufnimmt?«
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A ls Joan zurückkam, teilte er Antonello mit, dass er eine Buchhandlung in Rom aufmachen wolle.
»Woher willst du das Geld nehmen?«, erkundigte sich der Buchhändler.
»Ich möchte um ein Darlehen bitten«, antwortete Joan. »Auf dieser Reise habe ich gut verdient. In Rom gibt es viele Spanier: im Gefolge des Papstes, im Heer, außerdem Kaufleute, Konvertiten und Juden. Ich bin sicher, dass ich in einem Jahr das Geld zurückzahlen kann. Zuerst werde ich nur Bücher mit leeren Seiten, Schreibmaterial und gedruckte spanische Bücher verkaufen. Auch solche auf Lateinisch selbstverständlich. Danach werde ich das Angebot um italienische und sogar französische Titel erweitern. Der folgende Schritt ist, dass ich meine eigene Buchbinderei und, wer weiß, vielleicht auch eine Druckerei habe.«
»Du machst mir ja richtig Angst!«, rief Antonello mit seinem eigentümlichen Lächeln. »Ein Glück, dass du nach Rom gehst und nicht mit mir konkurrierst. Was machst du mit den Lieferungen an die spanischen Flotten? Das ist ein gutes Geschäft, das du nicht verlieren solltest.«
»Daran habe ich auch schon gedacht. Ich werde mich persönlich um sie kümmern, solange ich kann, und danach werde ich Vertreter in den wichtigsten Häfen haben. Ich möchte, dass Ihr es hier in Neapel seid.«
»Du hast es vielleicht eilig, Junge«, antwortete der Neapolitaner lachend. »Nach wenigen Tagen bist du nicht mehr mein Vertreter, sondern ich deiner.«
Joan zuckte die Achseln. Er war glücklich. Er könnte Anna eine Zukunft bieten und das Geld beschaffen, das er für die Suche nach seiner Familie aufbringen musste.
»Ich glaube, der Augenblick ist gekommen, dass du wieder mit Innico d’Avalos redest«, sagte der Buchhändler nach einer Weile. Sein Lächeln war verschwunden, und er zeigte eine nachdenkliche Miene.
»Innico d’Avalos?«, fragte Joan überrascht nach.
»Ja. Jetzt ist er Statthalter von Ischia. Die Franzosen haben versucht, die Insel zu erobern, doch er hat sie erfolgreich verteidigt. Sein Hof wurde zu einer Wallfahrtsstätte von Künstlern, wo sie vor dem Krieg sicher sind und in vollständiger Freiheit ihre Werke schaffen können. Er beschützt nicht nur die Künstler, sondern auch uns, die die Kunst verbreiten. Du hast ihm gefallen, als er dich kennenlernte. Ich bin mir sicher, dass dir seine Bürgschaft zusammen mit einem Kreditbrief helfen werden, das Geld zu bekommen, das du brauchst.«
Joan wartete ungeduldig darauf, Anna die Neuigkeit mitzuteilen. Die Zukunft, die er ihr bieten konnte, war weitaus mehr als die Aussicht, Ehefrau eines Buchbinders zu werden. Sie würde die Gattin eines Buchhändlers sein, die Umgang mit Kaufleuten, Beamten und Adligen hatte.
Es war eine glänzende Verheißung. Von ganzem Herzen wünschte er, ihr davon zu erzählen, doch er beschloss, sich nicht über die von ihr auferlegte Trauerzeit hinwegzusetzen. Dennoch konnte er sich nicht zurückhalten und kaufte ihr einen Goldring. Während er wartete, stellte er sich immer wieder vor, welches Gesicht sie machen würde, wenn sie die guten Neuigkeiten erfuhr. Er träumte von dem Augenblick, in dem sie sich seinen Ring überstreifen würde. Allerdings verlief die Begegnung ganz anders, als Joan erhofft hatte.
»Ich bin schwanger«, sagte Anna.
Diese Neuigkeit überraschte Joan so sehr, dass er
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