Am Horizont die Freiheit
erstaunt aufriss, als er eine Dolchklinge an seinem Adamsapfel spürte.
»Was tut Ihr da, verehrter Herr?«, sagte er respektvoll zu Joan. »Das ist meine Sklavin, und sie macht ihre Arbeit nicht.«
»Deine Sklavin, du Gauner!?«, donnerte Joan, wobei er ihn weiterhin mit seiner Waffe bedrohte und zurückweichen ließ. »Elf Jahre lang hast du eine altchristliche Sklavin, ohne dass du ihr die Freiheit gibst? Und du nennst dich Christ? Es ist mir gleich, dass du sie bei den Behörden hier gekauft hast – ich zeige dich beim Bischof von Genua an und lasse dich aufhängen!«
Joan hatte einen Schutzbrief des Vatikans bei sich, den ihm Miquel Corella besorgt hatte, und er hatte gute Gründe für seine Erklärung. Es war verboten, christliche Sklaven zu besitzen, die Kirche gestattete so etwas nur für eine beschränkte Zeit im Fall von Lösegeldforderungen im Krieg, als Schuldentilgung bei einem Bankrott, oder wenn ein ungläubiger Sklave erst vor kurzem getauft worden war. Es ging darum, dem Besitzer, der die Pflicht hatte, seinen Sklaven zu bekehren, keinen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Danach musste der Herr die Bedingungen festlegen, unter denen der Sklave seine Freiheit gewinnen konnte.
»Aber …«, murmelte der Mann.
»Diese Frau ist meine Schwester, und ich reiße dir die Eier ab, bevor ich sie mitnehme!«, unterbrach ihn Joan wütend.
Der Gastwirt, der sich an die Wand lehnte, die Arme ausbreitete und die Handflächen an die Mauer presste, nässte sich in diesem Moment vor Angst die Hose, ohne dass er weiter zurückweichen konnte. Er spürte, wie ihn der Dolch in den Hals drückte.
Das machte Joan noch wütender. Er steckte die Waffe fort und fiel mit den Fäusten über den Mann her, der vor Angst und Scham schluchzte.
»Lass ihn endlich in Ruhe!« Das rief María, die die beiden Männer trennen wollte.
»Aber begreifst du nicht, was er dir angetan hat?«
»Ganz gleich, lass ihn. Er muss eine Familie ernähren.«
Joan machte eine Geste, als wollte er abermals über den Mann herfallen. Dieser bedeckte sich das Gesicht mit den Händen, doch Niccolò hielt nun Joan zurück.
»Lasst ihn, Joan«, sagte er. »Wenn Ihr ihn umbringt, schadet Ihr Euch selbst. Besser, dass ihn die Justiz aufhängt.« Dann wandte er sich dem Wirt zu und fragte: »Oder wollt Ihr vorher vielleicht zu einer Einigung unter Freunden kommen?«
»Um Gottes willen, ja!«, rief der Mann. »Julia ist jetzt schon frei. Frei!«
An diesem Nachmittag lernte Eulalia ihre Enkel und Joan seine Neffen kennen. Der eine war acht und der andere zehn Jahre alt. Der Gastwirt hatte sie versklavt, wobei er argumentierte, dass ihre Väter unbekannt waren und darum Heiden sein konnten. Er konnte nicht verhindern, dass sie getauft wurden, doch er hatte weiter darauf bestanden, dass sie ihm gehörten.
Joan bat Niccolò, dass er sie drei allein ließ, und so erfuhr er die Ereignisse, die seit der Ermordung des Vaters und ihrer Gefangennahme durch Vilamarís Männer geschehen waren.
»Marta und ich haben uns den Soldaten und Seeleuten der Galeere ergeben«, erzählte die Mutter. Sie meinte ihre Freundin Marta, Elisendas Mutter und Tomás’ Frau. »Wir haben all ihre Wünsche erfüllt, als Gegenleistung dafür, dass sie sich nicht an den Mädchen vergingen. Doch so große Mühe ich mir auch gab, ich konnte die Sklavenhändler, die uns in Bastia kauften, nicht davon überzeugen«, erzählte sie mit tränenfeuchten Augen weiter. »Es tut mir leid, María, das habe ich nicht geschafft.«
Joan erinnerte sich an die Miene, die die Sklavenhändler Simone und Andrea gemacht hatten, und wütend ballte er die Fäuste. Er wusste, wo diese elenden Kerle zu finden waren.
»Auch Elisenda hat man Gewalt angetan. Da sie aber wenig entwickelt war, hat man sie bald in Frieden gelassen«, sagte María. »Das hat sie gerettet. Als man sie hier in La Spezia verkaufte, sah sie noch gut aus, und jetzt ist sie eine schöne Frau. Der Mann, der sie gekauft hatte, hat sie geheiratet, als er Witwer wurde. Er ist viel älter als sie. Sie haben einen Bauernhof im Tal von Chiappa, hier in der Nähe. Sie ist frei und lebt mit ihren Kindern dort. Ihre Mutter hatte auch die Freiheit zurückbekommen, doch sie ist vor ein paar Jahren gestorben.«
»Oh!«, rief Eulalia. »Die arme Marta.«
»Und du?«, wollte Joan wissen.
»Mir ist es ganz anders ergangen«, antwortete María und senkte den Kopf. »An mir haben sie ihre Wut ausgelassen. Ich war schon schwanger, als
Weitere Kostenlose Bücher