Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
Vom Netzwerk:
mit der man das Pergament näht, das man nicht sieht. Doch erkundige dich beim nächsten Mal genau, was du suchst.«
    Aus einem Fach unter dem Tisch zog er ein Metallinstrument hervor und gab es dem Jungen.
    »Aber das hat nur zwei Spitzen!«
    »Du hast nicht die oben mitgerechnet.«
    »Aber das da oben sticht nicht wie eine Nadel und ist auch nicht quadratisch.«
    »Nicht alle Spitzen stechen. Das Quadratische ist außerdem das Papier, das mit der Nadel zusammengehört.«
    Er holte ein Stück Papier heraus, tauchte seine Feder ins Tintenfass und schrieb etwas. Sobald die Tinte trocken war, verpackte er das Metallinstrument mit dem Papier.
    »Geh und bring das dem Meister Guillem. Und wenn er es nicht gebrauchen kann, sag ihm, er soll beim Essen mit mir reden.«
    Joan blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen, und er verschwand, ohne danke zu sagen, wobei er ebenso behutsam wie beim Hochkommen vorging. Alle umringten ihn, als er Meister Guillem das Paket übergab.
    Ein gewaltiges Gelächter erdröhnte, als er den Inhalt entdeckte.
    »Das ist ein Zirkel, Dummkopf! Der Maure hat sich über dich lustig gemacht!«
    Joan wusste nicht, was ein Zirkel war und wozu er sich gebrauchen ließ. Er fühlte sich betrogen und wütend. Felip und die Lehrlinge stupsten ihn, wozu sie riefen: »Neuling! Blödian!«
    Meister Guillem las, was auf dem Papier stand. Er sagte nichts, knüllte es zusammen und warf es dann in eine Ecke.
    »Jetzt reicht es, Jungen!« Seine Miene war ernst. »Geht alle wieder an die Arbeit!« Und zu Joan sagte er: »Das war ein Neulingsstreich. Es gibt keine quadratische Nadel mit drei Spitzen und auch kein unsichtbares Pergament. Lerne das, Junge.«
    Abermals lachte die Gruppe und kehrte an die Arbeit zurück, nicht bevor ihm Felip noch einen Schlag versetzt hatte, der freundschaftlich wirken konnte, aber weh tat.
    »Dummer Trottel«, sagte er.
    Als Joan die Werkstatt fegte, hob er das Papier auf. Darauf standen ein paar Sätze in gotischer Schrift, die er nicht entziffern konnte. Trotzdem steckte er ihn ein.
    Beim Essen begegneten sich die Blicke des Jungen und des Mauren. Joan fand einen Käfer in seinem Napf, und wieder lachten alle: Ihm wurde klar, dass es ein weiterer Scherz Felips war. Stoisch ertrug er diesen Spaß und die darauf folgenden Sticheleien des großen Burschen. Doch ihm traten Tränen in die Augen. Die Demütigung war zu groß. Er wünschte sich ins Kloster zurück.
    Als er in Santa Anna eintraf, ging er in die Zelle, die er mit seinem Bruder teilte, und nahm die Azcona seines Vaters. Dann lief er in den Garten. Dort hatte er an einen Baum ein Stück Holz aufgehängt, das als Zielscheibe diente. Obwohl die Waffe schwer war, schleuderte er sie wütend ins Schwarze der Scheibe. Er stellte sich vor, Felip sei das Holzstück. Danach wurde es zu dem Mauren, der seinen Vater getötet hatte, und hierauf zu jedem anderen Sarazenen. Nach einer Weile war er erschöpft, und als er sich an die quadratische Nadel mit den drei Spitzen erinnerte, suchte er den Novizen und bat ihn, heimlich vorzulesen, was auf dem Zettel des Mauren stand.
    »Damit du entdeckst, was du suchst, musst du wissen, was es ist. Der Name der Dinge darf dich nicht täuschen. Finde heraus, wie sie wirklich sind«, las Pere.
    Joan wurde nachdenklich. Er verstand, dass sich dies auf seine Ungeschicktheit am Morgen bezog, doch er argwöhnte, dass etwas mehr dahintersteckte, was ihm entging.
    »Wer hat das geschrieben?«, erkundigte sich Pere neugierig.
    »Ein Ungläubiger«, antwortete der Junge.
    Doch er beschloss, den Zettel an einem sicheren Ort zu verwahren.

21
    A n diesem Nachmittag kam Bartomeu ins Kloster, um mit Prior Gualbes über eine Reise an die Südküste zu sprechen, bei der er verschiedene Geschäfte Santa Annas vertreten sollte. Sie hatten Besitzungen in der Region El Garraf, einen Tag von Barcelona entfernt, und die Stadt Tortosa war von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Bartomeu würde bis Valencia kommen. Einige Jahre zuvor hatte man die dortigen Güter verkauft, aber noch blieben einige gestundete Zahlungen übrig, und darum kümmerte er sich mit Freuden. Der Hauptort am Fluss Turia erlebte glanzvolle Zeiten, und die Zahl der dort gedruckten Bücher war beträchtlich. Bartomeu handelte mit allen Arten von Büchern, aber sein besonderes Fachgebiet waren Handschriften. Tatsächlich wurden viele von ihnen auf Bestellung abgeschrieben. Ebenso wie er es auf der Nordroute machte, würde er auch diesmal die Häfen

Weitere Kostenlose Bücher