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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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unterschiedliche Zangen und ein paar Eisen, die sie in einem Herdfeuer bis zur Rotglut erhitzt hatten. Die Leute schrien und klatschten, als sie jedes einzelne Stück sahen. Inzwischen sprach der Geistliche mit Pere Joan und ließ ihn das Kruzifix küssen.
    Der Henker wartete ehrerbietig, bis der Priester fertig war. Dann prüfte er nach, dass der Körper immer noch am Pfosten fest angebunden war. Der Gehilfe machte nun den rechten Arm des Bauern frei und hielt ihn kräftig fest, während der Henker ein hölzernes Gestell unter das Handgelenk legte. Hierauf hob er das Beil, und Schweigen trat ein.
    »Freiheit für die
remensas
!«, rief Pere Joan, kurz bevor der erste Hieb seine Hand abschlug.
    Die Menge stieß einen Schrei aus. Alle blickten dem Verurteilten ins Gesicht. Er krümmte sich vor Schmerz und ließ ein unterdrücktes Stöhnen hören. Der Henker hob die abgetrennte Hand hoch, damit alle sie sehen konnten. Er warf sie in einen Korb, während der Gehilfe das Blut des Armstumpfes so gut stillte, wie er konnte. Sie sollten das Opfer so lange wie möglich am Leben erhalten. Da erklangen die Trommeln. Der Zug setzte sich mit dem holpernden Karren in Bewegung, und dessen Rütteln stieß den Verurteilten kraftlos hin und her. Sie bogen in die Calle de Boria ein. Dort waren alle Fenster voller Neugieriger, und die Soldaten mussten energisch einschreiten, um die Menge zurückzudrängen. Auf den schmalen Gassen würden sie nicht halten. Die Haltepunkte waren für die größten Plätze der Strecke vorgesehen, damit so viele Menschen wie möglich jeden einzelnen Akt der Tragödie erleben konnten. Als sie zur kleinen Plaza de Marcús kamen, riss ihm der Henker eine Brust mit der rotglühenden Zange aus, was die Menge bejubelte. Joan wollte nichts mehr sehen und lief zum Buchladen zurück. Es war Essenszeit, doch er brachte nichts herunter.
    Am nächsten Tag wurden Stücke des Körpers von Pere Joan Sala an allen Stadteingängen ausgestellt. Den Kopf steckte man auf eine Pike am Portal Nou.

28
    F elip tobte, als er erfuhr, dass Joan bei Abdalá arbeitete. Doch Joan erwiderte, das seien Anweisungen des Herrn, und wenn er ein Problem habe, solle er mit ihm reden. Mosén Corró war einer der zwei Menschen, die der große Bursche offenbar respektierte und fürchtete. Und das aus gutem Grund. Er war ein Waffengefährte seines Vaters, und er hatte Felip nach dem Tod seiner Mutter in der Buchhandlung aufgenommen. Trotz seines schwierigen Wesens behandelte er ihn wie einen Sohn. Außerdem war es der Buchhändler, der ihn der Bruderschaft empfehlen musste, damit sie ihn zur Prüfung als Buchbindermeister zuließ. Der Titel verlangte nicht nur Geschick und Kenntnisse, sondern auch Würde und hohe Moral. Und in dieser Hinsicht zweifelte Mosén Corró an Felip.
    Joan machte dennoch weiter in der Bande mit. Alle bewunderten, wie treffsicher er Steine warf. Es waren dieselben, die die Predigten der neuen Inquisitoren besuchten und die manchmal die Juden angriffen. Joan gefiel das nicht, und er ahnte, dass ihn Bartomeu, Abdalá und die Corrós tadeln würden, wenn sie es erführen. Doch Felip und seine Rotte sahen dies als Mutprobe an und erwarteten von ihm, mitzumachen.
    Der andere Mensch, den Felip fürchtete, war die Hexe von El Raval. Die Frau bewohnte ein Haus in einer menschenleeren Gegend, wo es viele Bäume und Sträucher gab. Die Hütte war über einen Bach gebaut, am Ende eines Weges, der
Peu de la Creu
 – »Kreuzfuß« – hieß. Man munkelte, die Alte sei blind, habe aber dem Teufel ihre Seele für ein Glasauge verkauft, mit dem sie sehen könne. Wenn sie damit einen Jungen anblicke, verliere er seine Manneskraft. Wolle man tatsächlichen Mut beweisen, so müsse man an die Haustür der Hexe klopfen. Die Bande hatte genau diese Mutprobe für Joan vorgesehen, und er ließ sich darauf ein, denn er hatte von noch niemandem gehört, den die Hexe ins Unglück gestürzt hätte. Andererseits kannte er die Namen mehrerer Jungen, die ein übler Steinwurf getötet oder schwer verletzt hatte.
    Die Jungen blieben am Anfang des Pfades stehen, der zum Haus führte. Er verlief gerade, so dass man Joan beobachten konnte. Dieser näherte sich vorsichtig. Es war ein düsterer Winternachmittag. Der Schornstein rauchte, und er vermutete, dass die Frau zu Hause war. Er nahm einen recht großen Stein für den Fall, dass er sich verteidigen musste, und schlug damit zweimal kräftig gegen die Tür. Dann kehrte er zu der Bande zurück, ohne zu

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