Am Horizont die Freiheit
Geschlecht auf den Koran schwor, bot dies dem König ausreichende Garantien.
Als Abdalá ins
Scriptorium
zu den Corrós kam, arbeiteten dort zwei schon recht bejahrte Kopisten. Sie setzten die Tradition der Bibliotheksschreiber der kulturell hochstehenden Klöster und des Miniaturenzeichnens fort. Von ihnen lernte er die Kunst des bei den Christen üblichen Kopierens. Der Buchdruck kam damals beinahe gleichzeitig in Valencia, Zaragoza und Barcelona auf. Er senkte die Kosten der Buchherstellung und verringerte die Kopistenarbeit, und deshalb blieb der Granadiner allein im
Scriptorium
, als die Greise starben.
Abdalás Arbeit bestand in der Übersetzung ausgewählter Bücher, von denen Bartomeu viele auf seinen Reisen erwarb. Sie kamen von katalanischen und valencianischen Kaufleuten, die sie über die Vermittlung der Konsulate im Orient besorgt hatten. Corró beauftragte andere Werkstätten mit den Arbeiten, doch manchmal kopierte der Granadiner persönlich bestimmte Bücher, wenn sie problematische Themen behandelten, die der Buchhändler nicht über die Wände seines Hauses hinaus bekanntmachen wollte.
Joan staunte über die Geschichte des Mannes. Jetzt verstand er, welche Ehre es bedeutete, ihn als Lehrmeister zu haben. Der Junge teilte den Wissensdurst mit dem Alten, und er sagte sich, dass ihm Abdalá mehr als jeder andere helfen konnte, den Traum zu verwirklichen, eines Tages ein Buchhändler wie Corró und Bartomeu zu werden.
Eines Nachmittags benachrichtigte der Pförtner Joan, dass er Besuch habe. Als er die weiße Mercedarierkutte erblickte, krampfte sich ihm das Herz zusammen.
»Der Generalmagister des Mercedarierordens hat mich beauftragt, dir mitzuteilen, dass wir nichts über deine Familie in Erfahrung bringen konnten«, sagte der Mönch.
»Vielleicht sind sie an einem Ort, wo Ihr nicht gesucht habt?«
»Nein. Seit Jahrhunderten unterhalten wir enge Beziehungen zur muslimischen Welt. Wir haben Brüder in allen Häfen des Mittelmeers, wo die Piraten und muslimischen Korsaren anlegen, von Istanbul bis Fes, wozu auch das Königreich Granada gehört. Sie respektieren uns, weil wir nie betrügen. Wir tauschen muslimische Gefangene aus, und wir bezahlen gutes Geld für die Freikäufe. Es gibt keine Nachrichten über Gefangene aus Llafranc.«
Joan hatte es geahnt. Abdalá hatte recht.
»Vergiss die Mauren. Sie waren es nicht«, betonte der Mercedarier. »Unser General wünscht dir Glück. Du sollst wissen, dass er dir nicht mehr helfen kann.«
Am nächsten Tag bat Joan Abdalá, ihm Französisch beizubringen, und dazu Genuesisch, wenn er es könne. Der Meister erkundigte sich nach den Gründen, und der Junge erklärte, wenn die Leute, die sein Dorf überfallen hätten, keine Mauren seien, müssten sie genuesische oder provenzalische Korsaren sein. Und es werde der Tag kommen, an dem er ausziehe, seine Familie zu befreien.
Der Alte dachte lange nach. Dann sagte er, dass wenige Leute in der Provence das Pariser Französisch gebrauchten und dass die allgemeine Sprache in Genua ein Ligurisch genanntes besonderes Italienisch sei, wovon er genug wisse, um sich zu verständigen. Allerdings sei es so, dass alle christlichen Sprachen auf dieser Seite des Mittelmeers vom Lateinischen abstammten und einander sehr ähnlich seien. Er schlug vor, ihn zu unterrichten, zuerst im Lateinischen, dem Ursprung all dieser Sprachen, und dann im Französischen, Kastilischen und dem, woran er sich beim Ligurischen oder bei anderen italienischen Sprachen erinnerte. So würde es ihm leichter fallen, die verschiedenen sprachlichen Varianten zu verstehen, denen er begegnen werde.
Joan stimmte begeistert zu. Um Buchhändler zu werden, musste er Latein kennen. Und wenn er diese Sprachen erlernte, würde es ihm außerdem bei der Suche nach seiner Familie helfen.
Die Begegnungen mit Anna gingen allmählich über die Besuche am Brunnen hinaus. Sie setzten sich auf einer wenig belebten, drei Ecken entfernten Straße in Richtung ihres Hauses fort. Das Mädchen verhüllte ihr Haar mit einer Haube, ähnlich einem Kopftuch, wie es die verheirateten Frauen taten. Wenn jemand auftauchte, zog sie ein Haubenende vor den Mund. Sie wollte nicht, dass ihre Eltern von ihrer Beziehung zu Joan erfuhren.
Nicht immer begegneten sie sich am Brunnen oder hatten genug Zeit, um in der Gasse stehen zu bleiben, doch nach und nach lernten sie sich besser kennen. Für Joan war dies die beste Zeit des Tages. Er erzählte ihr von seinem Leben
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