Am Mittwoch wird der Rabbi nass
Klinik besaß ausgezeichnete Einrichtungen mit genügend Parkmöglichkeiten. Es gab einen Buchhalter, der sich um die Rechnungen kümmerte, eine medizinisch-technische Assistentin, die Elektrokardiogramme, Blut- und Urinanalysen machte, und sogar eine geprüfte Krankenschwester, die Grippeimpfungen vornahm und bei kleinen chirurgischen Eingriffen assistieren konnte.
Und auch die Stadt war ein angenehmer Ort zum Leben, mit einer großen, aktiven jüdischen Gemeinde. Er selbst war Mitglied der Synagoge, seine Frau gehörte dem Frauenverein an, und die beiden Kinder besuchten die jüdische Schule. Sein Kollege Al Muntz war eng mit Chester Kaplan, dem Gemeindepräsidenten, befreundet. Muntz hatte sogar angedeutet, wenn er Wert darauf lege, könne er gegen Ende des Jahres Mitglied des Vorstandes werden. «Das wäre sehr gut für Ihre Praxis, Dan. Ed und ich sind beide Vorstandsmitglieder.» Er lachte. «Himmel, wenn ich könnte, würde ich auch John DiFrancesca hineinbringen.»
«Aber ich bin nicht besonders religiös.»
Dr. Muntz war stämmig, mit einem fleischigen Gesicht und blassblauen, vorquellenden Augen. Wenn er sie weit öffnete, hatte man den Eindruck, er sei erschrocken oder erstaunt. Jetzt öffnete er sie weit. «Bin ich vielleicht religiös?», fragte er, als sei dieser Vorwurf eine Beleidigung.
«Nun ja, ich meine, als Vorstandsmitglied muss man doch sonnabends zum Gottesdienst gehen, nicht wahr?»
Muntz lachte rau. «Ich wüsste nicht, wer das verlangt. Wer das auch sein mag, er müsste ziemlich lange warten. Ich selbst gehe natürlich an den hohen Festtagen und ziemlich regelmäßig auch zum Freitagabendgottesdienst. Aber am Sonnabend? Hören Sie auf! Chester Kaplan, ja – der geht. Der geht jeden Tag, morgens und abends.»
«Er ist schließlich der Präsident», sagte Dan.
«Deswegen nicht. Er ist der erste Präsident seit Jake Wasserman, der geht. Er ist auch gegangen, ehe er Präsident wurde. So ist er nun mal. Ihm gefällt’s. Ihm gefällt’s wirklich. Wenn’s nach ihm ginge, würde er eine richtige schul aus der Synagoge machen. Und das ist auch ein Grund, warum ich Sie im Vorstand haben möchte: um ein gewisses Gleichgewicht zu erreichen.»
«Sie wollen mich in den Vorstand holen, damit ich gegen Ihren Freund Kaplan opponiere, der mich zum Mitglied ernennen wird?»
«Nein.» Mit einer weit ausholenden Geste unterstrich Muntz die Verneinung. «Bei den meisten Fragen werden Sie mit Chet übereinstimmen. Aber er ist ein Enthusiast und hat eine ganze Gruppe von Anhängern im Vorstand. Also, ich finde, wenn ein paar Männer eine Art religiöses Hobby haben und zusammenkommen wollen, um zu beten und über religiöse Fragen zu reden – von mir aus. Wir leben in einem freien Land. Aber das muss doch nicht heißen, dass gleich alle bei ihnen mitmachen. Ich habe zum Beispiel nichts gegen Briefmarkensammler, aber ich möchte wirklich nicht, dass sie Direktor bei der Post werden. Ja, und Sie sind genau der Mann, den wir im Vorstand brauchen, um das Gleichgewicht herzustellen. Ich habe Sie Chet empfohlen. Aber Sie müssen ihm natürlich selbst zeigen, dass Sie daran Interesse haben. Sie kommen doch heute Abend – nicht wahr?»
«Sie meinen, zu Kaplan? Ich weiß es nicht. Ich hatte mit meiner Frau verabredet, dass wir mal rausfahren und uns das Herbstlaub an den Bäumen ansehen. Sie hat eine Tante in North Adams, die wollten wir zum Abendessen besuchen. Sozusagen den Tag ausnutzen.»
Muntz schüttelte missbilligend den Kopf.
«Na ja, ich dachte, diese Einladung würde an alle Gemeindemitglieder geschickt …»
«Ganz und gar nicht, Dan! Es ist zwar ein offener Empfang, aber nicht jeder bekommt eine persönliche Einladung.»
Dr. Cohen überlegte. «Sicher, wir könnten eher zurückkommen. Ich meine, wenn’s draußen dunkel ist, kann man die Herbstfarben ohnehin nicht mehr sehen.»
«Ich an Ihrer Stelle würde das machen», sagte Muntz. «Sie tun sich selbst den größten Gefallen damit.»
10
Da seine Frau sich nicht ganz wohl fühlte, kam Bill Safferstein zum Lunch nach Hause, statt nur schnell in der Stadt einen Happen zu essen. Dafür beschloss Mona Safferstein, ihm beim Essen Gesellschaft zu leisten, und kam im Morgenrock ins Speisezimmer.
«Ich möchte nichts, Hilda», sagte sie, als das Hausmädchen ihrem Mann einen Teller Suppe hinstellte. «Höchstens eine Tasse Tee.»
«Ach, komm!», drängte sie ihr Mann besorgt. «Ein paar Löffel Suppe, Schatz. Das tut dir gut.»
«Nein, Bill.
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