Am Montag flog der Rabbi ab
sicherlich kein schweres Verbrechen. Sie halten doch hier Menschen nicht gewaltsam zurück wie in den Ostblockstaaten. Sie verlangen lediglich von ihnen, dass sie bestimmte Formulare ausfüllen und gewisse Richtlinien befolgen, wenn sie ausreisen wollen. Also haben Sie unter diesem Gesichtspunkt weiter nichts gegen ihn vorliegen, als dass er sich nicht an den amtlich vorgeschriebenen Weg hielt. Das würde normalerweise was nach sich ziehen? Einen gerichtlichen Verweis? Eine kleine Geldstrafe? Ein paar Tage Gefängnis? Folglich müssen Sie einen anderen Grund haben, ihn festzuhalten. Und das kann nur der Bombenanschlag auf die Wohnung in der Nachbarstraße sein. Wenn sich nun beweisen ließe, dass er damit nichts zu tun haben konnte …»
«Und wie wollen Sie das beweisen?», forderte Adoumi ihn heraus.
Der Rabbi schob ihm die Ausgabe von Haolam über den Tisch zu. «Das Bild hier beweist es. Haben Sie’s gesehen?»
Adoumi warf einen Blick auf die Zeitschrift. «Allerdings. Sie sagen also, hier ist etwas, das beweist, dass Ihr Mann es nicht getan haben konnte?» Er nahm das Magazin und studierte das Titelfoto, während die anderen ihn schweigend beobachteten. Dann ging er hinaus und kehrte sofort mit einem Vergrößerungsglas zurück, um jeden Quadratzentimeter des Fotos unter die Lupe zu nehmen. Schließlich legte er Vergrößerungsglas und Zeitschrift auf den Tisch und sah den Rabbi fragend an.
«Der Arzt brachte ihn zu Bett, bevor er ging», begann der Rabbi. «Er vermutete, und darin stimmten Ihre Leute wohl mit ihm überein, dass Memavet aufgestanden sein muss, um sich einen Drink aus der Flasche auf dem Sims einzuschenken.»
«Na und?»
«So, wie er die Flasche hält, hätte er sich keinen Drink eingießen können», erläuterte der Rabbi.
Adoumi schaute sich das Bild abermals an.
«Wenn er die Flasche schräg gehalten hätte, um einzuschenken, wäre ihm der Brandy den Arm heruntergeflossen», bemerkte der Rabbi.
«Vielleicht wollte er die Flasche mitnehmen, sie auf den Boden neben sein Bett stellen und sich von Zeit zu Zeit einen Schluck genehmigen.» Adoumi blieb unbeeindruckt.
Stedman und Gittel sahen den Rabbi an, der den Kopf bedächtig schüttelte und sagte: «Nein, das wollte er ebenso wenig. Die Flasche stand auf dem Sims. Die beiden Wohnungen sind identisch, Ihre und seine, und das Sims drüben ist genau wie dies hier» – er unterbrach sich, um hinüberzugehen und sich danebenzustellen –, «etwa in Schulterhöhe für ihn. Auf dem Bild hält er die Flasche mit dem Daumen nach unten, wie eine Keule.»
«Eine Keule? Ach ja, ich weiß schon.»
«Er konnte sie auf diese Weise nicht vom Sims herunternehmen, nicht ohne seinen Arm und die Schulter höchst unnatürlich zu verrenken. Selbst für Sie, der Sie viel größer sind, wäre es unnatürlich.»
Adoumi erhob sich, ging zum Sims hinüber und vollzog die Bewegung nach. «Stimmt», räumte er ein. «Aber warum …»
«Warum er sie so hielt? Um sie als Waffe zu benutzen, natürlich! Das ist der einzige Grund, die Flasche wie eine Keule zu halten, denn als solche wollte er sie ja benutzen. Und das bedeutet, dass jemand im Zimmer war, den er entweder angreifen oder gegen den er sich verteidigen wollte.»
«Aber …»
«Und das kann Roy nicht gewesen sein, denn als er hinkam, ging der Arzt gerade und hatte die Tür hinter sich zugemacht.»
«Er hätte später zurückkommen und hineingehen …»
«Wenn die Tür verschlossen war?»
Auf Stedmans Gesicht zeigte sich der Anflug eines Lächelns, und Gittel nickte beifällig.
«Aber hören Sie doch» – Adoumi war aufgebracht –, «wenn die Tür verschlossen war, und niemand hereinkommen konnte, dann brauchte er sich doch nicht mit der Flasche zu bewaffnen. Was also bedeutet, dass er sie aus irgendeinem anderen Grund so gehalten haben muss.»
«Es sei denn, er hatte sie gegen jemand gerichtet, der dort war, ehe die Tür geschlossen wurde.»
«Aber das ist doch absurd. Es war ja nur der Doktor da. Wieso sollte er sich gegen ihn mit einer Waffe versehen?»
«Warum fragen Sie den Doktor nicht danach?»
«Er ist außer Landes.» Adoumi nagte verärgert an seiner Oberlippe. Dann hellte sich seine Miene auf, und er lächelte. Er setzte sich wieder hin. «Das ist alles sehr interessant, aber völlig abwegig. In jedem Fall dieser Art findet man verwirrende Teilaspekte, das ist nicht neu. Das Entscheidende ist, dass der Mann durch eine Bombe getötet wurde …»
«Woher wissen Sie das?», warf
Weitere Kostenlose Bücher