Am Montag flog der Rabbi ab
Familienkreis teilzunehmen.»
«Dan tut das bestimmt gern.» Sie notierte die Adresse. «Ich schreibe ihm in den nächsten Tagen.»
Raymond eilte auf sie zu. «Sie beginnen einzutrudeln», sagte er. «Ich schlage vor, ich bleibe hier stehen, und wenn sie reinkommen, stelle ich sie Ihnen vor, Rabbi Small, und …»
«Ich denke, mich kennen sie», entgegnete Rabbi Small trocken. «Warum stellen Sie sich nicht neben Rabbi Deutch und seine Frau? Sie machen sie mit den Gästen bekannt, die gehen dann weiter und verabschieden sich von uns, wenn sie wollen.»
«Ja, ich glaube, da haben Sie Recht. So machen wir es.» Die Ehepaare wechselten die Plätze.
Sofort rief Raymond den ersten Leuten, die durch die Tür kamen, zu: «Hallo, Mike. Rabbi Deutch, ich möchte Ihnen Myer Feldman vorstellen, eine der Hauptstützen der Gemeinde. Und Rosalie. Rabbi Deutch, unser neuer geistiger Führer, und Mrs. Deutch.»
Eine Stunde lang stellte Raymond die Gemeindemitglieder vor. Rabbi Small erfuhr zu seinem Erstaunen, wie viele «Hauptstützen» oder «Säulen» oder allermindestens «phantastische Mitarbeiter» die Gemeinde besaß. Als der ständige Zustrom dann abflaute, konnten die Rabbiner mit ihren Frauen unter den Gästen herumgehen. Bald waren die Smalls am entgegengesetzten Ende des Raumes gelandet. Leute kamen, um ihnen eine sichere Reise zu wünschen, ihnen Stätten zu empfehlen, die sie unbedingt aufsuchen sollten, ihnen Tipps zu geben, die sie nützlich fanden, ihnen die Namen von Freunden und Verwandten ans Herz zu legen, die sämtlich offenbar große Tiere waren und sich überaus glücklich schätzen würden, sie einzuladen.
Kurz vor sechs schlug Miriam vor, aufzubrechen. Sie hatte mit dem Babysitter von Jonathan ausgemacht, pünktlich zu Hause zu sein.
«Ich glaube, das geht. Sie sind ja eigentlich hier, um Rabbi Deutch und seine Frau zu sehen.»
Sie bahnten sich ihren Weg zu den beiden, man schüttelte sich die Hände und wünschte einander Glück. «Und wann fliegen Sie nach Israel?», fragte Rabbi Deutch.
«Am Donnerstag.»
«Ich hatte gehofft, wir könnten uns nochmal sehen, aber wir fahren für ein paar Tage nach Connecticut zurück.»
«Wir haben auch noch sehr viel zu tun», sagte Rabbi Small.
«Und machen Sie sich keine Sorgen um Ihre Gemeinde», lächelte Mrs. Deutch. «Hugo kümmert sich schon gut um sie.» Sie zögerte. «Sie ängstigen sich doch nicht wegen der Bombenanschläge, nicht wahr?»
«Hier oder dort?»
«Oh, das ist gut.» Sie zupfte ihren Mann am Arm. «Eben frage ich Rabbi Small, ob er sich wegen der Bombenanschläge ängstigt, und er sagt: ‹Hier oder dort?›»
Ihr Mann sah sie erwartungsvoll an.
«Du weißt doch» – eine Spur von Ungeduld war in ihrer Stimme –, «die Bombenanschläge in den Universitäten hier.»
«Haha, natürlich. Sehr gut, Rabbi. Und ein zutreffender Kommentar über unsere Gesellschaft. Ein ausgezeichneter Titel für eine Predigt übrigens. Haben Sie was dagegen, wenn ich ihn verwende?»
Rabbi Small grinste. «Mit meinen Empfehlungen, Rabbi.»
Rabbi Deutch streckte ihm nochmals die Hand hin. «Also, ziehet hin in Frieden und kehret heim in Frieden», sagte er auf Hebräisch. Er kicherte. «Hier oder dort. Sehr gut.»
Auf dem Nachhauseweg fragte Miriam: «Na, was hältst du von ihnen?»
«Sie scheinen in Ordnung zu sein. Ich hatte nicht viel Gelegenheit, mich mit ihnen zu unterhalten.»
«Das sind Profis, David.»
«Profis?»
«Genau. Ich wette, die kriegen keine Scherereien mit der Gemeinde oder mit dem Vorstand. Die haben immer das richtige Wort im richtigen Augenblick parat. Die Gemeinde wird ihnen aus der Hand fressen – und das mit Wonne.»
Viel später, nachdem sie noch bei den Raymonds eine Kleinigkeit gegessen hatten und jetzt in ihrem Hotelzimmer zu Bett gehen wollten, fragte Betty Deutch: «Hattest du nicht auch den Eindruck, Lieber, dass es zwischen den Smalls und der Gemeinde oder zumindest einigen Vorstandsmitgliedern Ärger gegeben hat?»
Hugo Deutch hängte seine Jacke ordentlich auf einen Bügel. «Der Vorsteher hat mir in dieser Richtung Andeutungen gemacht, und ebenso sein Freund – wie heißt er doch gleich? – richtig, Drexler. Gleich als wir uns kennen lernten. Zu dumm so was. Eine Gemeinde zu behandeln, dazu gehört eine gewisse Technik, und die hat Rabbi Small noch nicht gelernt, fürchte ich. Und ob er es jemals lernen wird, halte ich für zweifelhaft.» Er zog die Schuhe aus und schlüpfte in seine Pantoffeln. «Ein
Weitere Kostenlose Bücher