Am Montag flog der Rabbi ab
sieht gut aus.» Und es war unmissverständlich, dass sie alle beipflichteten, als Marty Drexler hinzufügte: «So sollte eben ein Rabbi nach meiner Vorstellung aussehen.»
Die Frauen waren von Mrs. Deutch genauso entzückt wie ihre Männer von Rabbi Deutch. Sie war ebenfalls hoch gewachsen und hatte das graue Haar am Hinterkopf mit einem Kamm hochgesteckt, der wie ein Diadem wirkte und ihr ein aristokratisches, beinahe königliches Aussehen gab. Und obendrein war sie so einfach und demokratisch. Als die Präsidentin des Frauenvereins ihr die Vorstandsmitglieder vorstellte, sagte sie: «Wisst ihr, Kinder, zu Hugo würde ich das natürlich nie sagen, aber es ist doch eine eindeutige Tatsache, dass der Frauenverein den Tempel leitet.» Sie waren hingerissen.
Sie mochten zwar auch Miriam Small gern, aber etwa in der Art, wie man ein Mädchen vom College mag, in Söckchen und Slippers, das in der Nachbarschaft wohnt und manchmal als Babysitter einspringt. Neben Betty Deutch wirkte sie nicht bloß jung, sondern unreif.
Als sie Miriam um Rat fragten, wo sie die Kerzenständer hinstellen sollten, meinte sie: «Ich würde sie ziemlich in die Mitte des Tisches tun, da stören sie nicht beim Eingießen.» Betty Deutch dagegen trat einen Schritt zurück, um den Tisch besser zu sehen, setzte dann die Kerzenständer ans Ende, überprüfte nochmals die Wirkung und sagte dann: «So sind sie weit genug weg, um die Einschenkenden nicht zu behindern, und die Tafel wirkt außerdem länger. Findet ihr nicht auch, Kinder?»
Aus der allgemeinen bereitwilligen Zustimmung ging klar hervor, dass Mrs. Deutch jetzt die Rabbitzin war. Daraufhin hakte Mrs. Deutch Miriam unter und flüsterte, während sie zu ihren Männern zurückschlenderten: «Bei Sachen, wo’s ziemlich egal ist, ob man’s so oder so macht, bin ich grundsätzlich immer einer Meinung mit dem Frauenverein und ermuntere sie, ganz nach ihrem Belieben zu verfahren.»
«Und wie viel Leute haben Sie zum Gottesdienst am Freitagabend, Rabbi?», erkundigte sich Rabbi Deutch.
«Gewöhnlich so zwischen fünfzig und fünfundsiebzig.»
Rabbi Deutch verzog den Mund. «Bei einer Mitgliedschaft von nahezu vierhundert Familien? Hmmm. Inserieren Sie?»
«Nur die Bekanntmachung in der Presse.»
«Ach. Nun, wir haben zusätzlich zu der Presseveröffentlichung immer noch Karten versandt, so, dass sie mit der Freitagmorgen-Post ausgetragen wurden, und der Erfolg hat sich bemerkbar gemacht, fand ich. Außerdem versuche ich, jedes Mal ein interessierendes Thema für meine Predigt zu wählen. Das hilft, glauben Sie mir. Irgendwas Aktuelles …»
«Wie Sex?», fragte Rabbi Small unschuldig.
«Sex und Talmud war tatsächlich das Thema einer meiner Predigten. Dabei hatten wir ’ne ganz schöne Besucherzahl.»
Die Frauen gesellten sich zu ihnen. «Ich nehme an, Sie haben in Israel eine Menge Touren vor?», fragte Mrs. Deutch.
«Ehrlich gesagt, wir haben noch keine Pläne gemacht», erklärte Rabbi Small.
«David ist nicht sehr für Ausflüge und Besichtigungen», erläuterte Miriam.
«Rabbi Small ist ein Gelehrter», sagte Rabbi Deutch. «Ich vermute, er wird die meiste Zeit in der Universitätsbibliothek zubringen.»
«Daran hatte ich gar nicht gedacht», meinte Rabbi Small. «Ich arbeite an einem Aufsatz, aber die Vorarbeiten sind bereits abgeschlossen.»
«Sie haben also keine besonderen Pläne für Ihren Aufenthalt?»
«Wir wollen nur dort leben, weiter nichts.»
«Aha.» Rabbi Deutch, dem das nicht recht einleuchtete, hielt seinen Kollegen für einen Geheimniskrämer.
Verlegenes Schweigen. Schließlich fiel Betty Deutch eine weitere Frage ein: «Haben Sie Verwandte in Israel?»
«David nicht. Ich habe eine Tante dort. Sie hat uns in Jerusalem eine Wohnung verschafft, in Rechavia.»
«Ein hübsches Viertel. Mein Bruder Dan ist gerade in Jerusalem. Wenn Sie wollen, kann ich ihm Ihre Adresse geben. Er war schon oft in Israel, das letzte Mal ungefähr ein Jahr. Er kennt die Stadt gut und könnte Ihnen vieles zeigen.»
«Das ist doch Dan Stedman, der Journalist?»
«Ja. Er schreibt ein Buch über Israel. Sein Sohn Roy ist auch drüben, an der Universität.»
«Wie nett. Arbeitet er für die Promotion?»
«Nein, so weit ist er noch nicht. Er studiert nur ein Jahr im Ausland.»
«Geben Sie Ihrem Bruder auf jeden Fall unsere Adresse», sagte Rabbi Small. «Victory Street 5, bei Blotner. Vielleicht macht es Ihrem Bruder und Ihrem Neffen Spaß, gelegentlich an einem Sabbatmahl im
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