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Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
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Folgen menschlicher Grausamkeit rückgängig zu machen.«
    Der Tag kam, an dem Jack wusste, dass dies die Stimme Gottes war.
    Frisch von einer gefährlichen Zeit auf hoher See zurückgekehrt, während viele Söhne, Brüder und Ehemänner nicht den Luxus hatten, ein Nachkriegsgroßbritannien zu erleben, haderte Jack mit der Notwendigkeit, seinem Vater von seinen Plänen für einen ungewöhnlichen Lebensweg zu erzählen. Mit einem dankbaren Aufatmen hatte sich das Elternpaar Sperry nach den überstandenen Kriegsstrapazen auf die Rückkehr zu ihrem fröhlichen Vierer-Gespann am heimischen Herd gefreut.
    »Und wenn es nicht die Fabrik sein sollte, was dann?«, fragte William, nachdem sein ältester Sohn das schwierige Thema zaghaft angeschnitten hatte. Unfreundlich klingt er nicht , dachte Jack. William Sperrys wüste Töne und Launen waren weit und breit gefürchtet. Nach diesem harmlosen Einstieg fuhr Jack mit etwas mehr Zuversicht fort.
    »Ich weiß nicht, wohin ich möchte, Dad. Auf jeden Fall in die Mission, irgendwohin auf der Welt. Ich denke, in den hohen Norden, vielleicht zu den Eskimos. Aber das will ich erst gründlich prüfen. Erster Schritt wird wohl eine Bibelschule sein.«
    »Ein Jahr lang? Zwei Jahre? Bekommst du Taschengeld? Wer bezahlt dich?«
    »Na ja … so einfach ist es nicht, Dad. Drei Jahre, kein Taschengeld, ich muss es selbst bezahlen, jeden Pfennig davon, Unterkunft, Essen, Studiengebühren. Ich will vorher arbeiten, um das Geld dafür zusammenzusparen.«
    Jetzt war alles raus.
    Jack erwartete, dass ihm Empörung entgegenschlug und versuchte, seine Anspannung nicht zu zeigen. Doch das verärgerte: »Im Krieg bist du übergeschnappt« oder: »Hast du sie nicht mehr alle?« oder: »Wer hat dir diesen blöden Floh ins Ohr gesetzt?«, das er erwartet hatte, kam nicht. Stattdessen eine kurze Pause und dann das Letzte, womit er gerechnet hatte:
    »Und wie viel Geld brauchst du, mein Sohn?«
    Eigentlich hätte Jack wissen können, dass sein Vater, streng und rabiat wie dieser manchmal sein konnte, niemals ernst gemeinten Plänen im Leben seiner Söhne im Wege gestanden hätte.
    Da dieses heikle Hindernis nun beseitigt war, stürzte sich Jack in erste Vorbereitungen für sein ehrgeiziges Vorhaben. Etappe eins hatte einen Namen: »Emmanuel Bible College«, ein renommiertes Trainingszentrum für Missionare, in der Hafenstadt Birkenhead nahe Liverpool gelegen. Hier konnte man sich mit den Entbehrungen auf fernsten Missionsfeldern vertraut machen und prüfen, ob man dazu die nötige Willenskraft besaß.
    Jack hatte als Rückenwind für seinen neuen Schritt nicht nur den vollen Segen, sondern auch die finanzielle Unterstützung seiner Eltern. Für ihn blieb die Opferbereitschaft der Sperry-Eltern, die später bereit waren, wenn auch mit schwerem Herzen, sogar den zweiten Sohn in die weite Welt ziehen zu lassen, ein bleibender Anlass zur Dankbarkeit und das größte Wunder von allen in einer Lebensgeschichte, die noch viele Wunder bezeugen würde.

Die Vorbereitung beginnt
    »Und Regel drei lautet: Es ist absolut, aber wirklich absolut kein Austausch zwischen männlichen und weiblichen Mitgliedern dieses Colleges erlaubt.«
    Der Direktor des Colleges schaute über seine Brille und fokussierte seinen garstigsten Blick einen Augenblick lang auf die Reihen von neuen Studenten, die in stiller Ehrfurcht vor ihm saßen, die Frauen links, die Männer rechts.
    Die Worte saßen. Die empörte Stille im Raum war voll mit unausgesprochenen Protestschreien.
    »Mit Studenten und Studentinnen, die sich dieser Regel widersetzen, wird kurzer Prozess gemacht. Er oder sie wird ohne Verwarnung entlassen, das Ticket nach Hause bezahlt er oder sie selbst.«
    Schien der ehrwürdige Gentleman den Horror schadenfreudig zu genießen, den er in zahlreichen jungen Seelen gerade ausgelöst hatte, oder hatte sich Jack das nur eingebildet?
    »Jetzt zu Regel Nummer vier …«
    »Es war also doch kein Gerücht, es stimmt wirklich, George«, sagte Jack später zu seinem Zimmergenossen, als sie sich wieder zu reden trauten. »Dass sie wirklich so streng sind, hatte ich nicht geglaubt.«
    »Aber schauen darf man«, erwiderte George schelmisch, »gegen Schauen gibt es keine Regel.«
    »Von wegen!«, wand Jack energisch ein. »Die Damen nehmen sogar einen anderen Weg zur Kirche und sitzen auf der anderen Seite, auf den hinteren Kirchenbänken! Keine der Regeln hat so viele Unterparagrafen«, sagte Jack und hielt seinem neuen Freund das Papier

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