Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis
dem Tiefschlaf gerissenen Studentinnen hatten selbst diesen hartgesottenen Kerlen einen richtigen Schreck eingejagt.
»Nur gut, dass wir nicht erwischt wurden«, dachte Jack und errötete leicht in der verzweifelten Hoffnung, dass Miss MacLaren keinen Verdacht bezüglich des Initiators dieses Verbrechens geschöpft hatte.
Ein weiterer Grund zur Sorge war das Gerücht, dass Betty MacLaren einen klaren Ruf von Gott nach Afrika verspürte. »Möchten Sie mein Schneehaus mit mir teilen?«, wie es in seinem ersten Entwurf gestanden hatte, wäre in diesem Fall nicht gerade der optimale Ansatz für einen Heiratsantrag gewesen. Ob man aus romantischen Gründen einen göttlichen »Ruf« in die entgegengesetzte Richtung bekommen konnte?
Er schrieb ernsthaft, mit Nachdruck, offensichtlich glaubwürdig genug, um Bettys Herz zu bewegen. Dass sie im Auftrag des Evangeliums irgendwohin gehen wollte, war ihr seit jungen Jahren klar. Eine strenggläubige Großmutter hatte jahrelang schon ein betendes Auge auf das blonde Mädchen gehabt, das mit seinen ernsten Augen und bohrenden, alles andere als kindlichen Fragen über Gott und die Welt über seine Jahre hinaus reif gewesen war. Sie hatte mit ihr Bibelgeschichten gelesen, ihr eine erste eigene Bibel geschenkt und wurde das Gefühl nicht los, dass Gott für dieses Kind einen ungewöhnlichen Lebensweg vorgezeichnet hatte.
Als sie 16 Jahre alt war, kniete Betty eines Abends neben ihrem Bett und betete aus einer plötzlichen Gottessehnsucht heraus: »Herr, wenn du es ernst mit mir meinst, zeig mir bitte deinen Weg. Ich will deine Zeugin sein.«
Als sie kurz danach aufstand, über ihr eigenes Gebet leicht erschrocken, wie auch über ihre Anmaßung, die Stimme Gottes hören zu wollen, schien es ihr plötzlich, als ob der Raum hell würde. Ob die Stimme im gewöhnlichen Sinne hörbar war oder nicht, konnte sie später nicht sagen. Aber der Inhalt war eindeutig: »Ich werde dich rufen, und sobald ich rufe, will ich, dass du gehst, ohne zu zögern.«
Es war nicht eine dieser »Visionen«, die einem religiösen Wunschdenken entstammen und mit denen moderne, wohlstandsverwöhnte Christen gerne prahlen in der Hoffnung, durch sie mit billiger göttlicher Erlaubnis ein persönliches Selbstverwirklichungsprogramm durchziehen zu können. Wer Gott wirklich intensiv begegnet ist, berichtet nicht leichtfertig davon.
So auch die junge Elisabeth MacLaren. Die Echtheit ihrer Gottesbegegnung erwies sich dort, wo nur wahre Gottesbegegnungen sich zeigen: in der Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit ihres Lebensstils. Eine biblische Vision ist heute, wie zu biblischen Zeiten, immer mit einem Mandat verknüpft.
Ihre Antwort auf Jacks Brief war nicht überschwänglich, aber auch nicht abweisend. Sie war eben nicht die Sorte von Frau, die in Ekstase geriet. Aber auch ihr Blick hatte weit genug gestreift, um von dem großen, gut aussehenden jungen Prediger beeindruckt zu sein, der in seinem Abschlussjahr am College oft den Gottesdienst geleitet und die Studentenschaft mit seinem schelmischen, gewinnenden Charme immer zum Lachen gebracht hatte. Konnte dies der Ruf sein, den sie nach ihrem Gebet damals gehört hatte?
»Ganz abgesehen davon: Mit ihm zusammen monatelang im Schnee eingeschlossen zu sein, wäre nicht das Schlimmste, was einer Frau passieren könnte«, dachte sie, als sie ihren Antwortbrief zum Briefkasten trug und sich mit jedem Schritt besser vorstellen konnte, dass Gott sie als Gehilfin an Jacks Seite stellen wollte.
Es dauerte nicht lang, bis Jack weit schwierigere Briefe verfassen musste. Diese gingen an die Aufsichtsbehörde der Arktismission und an den Bischof der »Northwest Territories«, seinen zukünftigen Vorgesetzten.
»Exzellenz,
Sie dürfen sich wegen meiner Wahl einer Ehefrau keine Sorgen machen. Auf Ihre Genehmigung warten wir sehnlichst. Elisabeth MacLaren und ich werden gerne und von ganzem Herzen alle Vorlagen der Diözese erfüllen, die uns von Ihnen auferlegt werden.
Sie fragen mich, wie lange ich Miss MacLaren kenne. Um genau zu sein, zwei ganze Jahre. Wir haben in der Zeit zwar, gemäß den Anordnungen des Colleges, kein Wort miteinander getauscht, aber ich war mir auch aus der vorgeschriebenen Entfernung heraus absolut sicher, dass sie die Frau ist, die mir Gott zur Seite stellen möchte, auch ohne mit ihr gesprochen zu haben. Nach meinem Abschluss tauschten wir regelmäßig Briefe miteinander aus und lernten uns auf diesem Weg besser kennen. Wie viel Zeit wir
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