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Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
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Sonntagabend-Gottesdienst bald die große gesellschaftliche Attraktion der Woche.
    »Sogar der katholische Priester ist dabei«, schrieb Jack seinem bischöflichen Vorgesetzten mit einem Funkeln im Auge, »aber machen Sie sich keine Sorgen, er kommt erst nach dem Abendmahl, zum Kaffee.«
    Eine gewisse Schadenfreude konnte er sich nicht verkneifen, kannte er sich doch ausführlich mit dem traditionsreichen und oft abgrundtiefen Hass zwischen der anglikanischen und der katholischen Kirche aus, der in der Geschichte Großbritanniens blutige Spuren hinterlassen hatte. In seiner Heimat herrschte nach wie vor eisige Funkstille zwischen den beiden Großkirchen. Ein gemeinsames Abendmahl wäre auf beiden Seiten ein Skandal gewesen.
    Im weit entlegenen Coppermine waren nun der junge Missionar und seine Frau, kaum Ende 20 und ohne eigene Kinder, schon Ersatzeltern für ein ganzes Dorf. Auch wenn ihr kleines Haus im Winter in Schnee eingepackt war, waren ihre Türen Tag und Nacht offen. Wenn irgendjemand ein Problem hatte, eine familiäre Krise durchlitt, waren Jack und Betty die erste Adresse. Eine Lösung fand sich nicht immer. Aber ein offenes Ohr, ein mitfühlendes Herz und eine heiße Tasse Tee. Meistens war das genug.

Prominentenbesuch mitten in Nirgendwo
    »Wie damals beim Besuch des Bischofs«, sagte der Abgesandte der Hudson Bay Company. »Wir wollen Seiner Königlichen Hoheit zeigen, wie das Leben der Einheimischen in Wirklichkeit aussieht. Wir brauchen dazu ein paar der älteren Eskimos und wollen ein Zelt aufstellen. Können Sie dafür sorgen, dass die Innenausstattung so authentisch wie möglich zusammengestellt wird, Mr Sperry?«
    Der Ton war distanziert und schroff. Coppermine musste innerhalb kürzester Zeit auf Hochglanz gebracht werden. Jack stöhnte.
    Es wurde oft gemunkelt, dass sich Ihre Majestät, die Königin von England, und ihr Prinzgemahl in den britischen Kolonien oder ehemaligen Kolonien auf einen herzlicheren Empfang einstellen konnten als bei den repräsentativen Pflichten in der Heimat. Besonders gerne kamen sie nach Kanada. Prinz Philip sollte während einer Tour durch das Land einen dreistündigen Zwischenstopp in Coppermine einlegen. Die Siedlung war in Aufruhr. Es gab keine höhere Anerkennung für eine Ortschaft als ein königlicher Besuch – auch in der fernen Arktis.
    »Wer hätte jemals gedacht, dass irgendeine Königliche Hoheit ihren Weg hierher an den Rand der Zivilisation findet?«, schrieb Jack an seinen Bruder. »Kein Ereignis hat mehr Potenzial, die geballten Absurditäten der britischen Natur herauszulocken, als Kontakt zu den Royals. Feines Porzellan wurde extra aus Edmonton zur Feier des dreistündigen prinzlichen Abstechers importiert, und sogar Alkohol ist ausnahmsweise gestattet. Normalerweise ist er wegen der Anfälligkeit der Einheimischen für Saufrunden strikt verboten. Aber der Prinz darf ja nicht auf die Idee kommen, dass er hier weitab der Zivilisation ist, und soll im gewohnten Stil seinen Aperitif vor dem Essen zu sich nehmen dürfen. Erinnerst du dich an Mr Grattidge und unseren Geschichtsunterricht? Wie stolz er auf die britische Königsdynastie war? Wäre der jetzt stolz auf mich!
    Von 11.43 Uhr bis 12.02 Uhr besucht Seine Königliche Hoheit mein Zelt. Dort wird er das Leben der einheimischen Bewohner hautnah erleben. Wir hier betrachten das Ganze als ein lustiges Spiel. Jim Kilukuk, der Nette, hat sich zur Verfügung gestellt und spielt den Schamanen einer ›typischen‹ einheimischen Siedlung.«
    Jim war früher wirklich Schamane gewesen, dann Christ geworden und jetzt einer von Jacks besten Freunden. Jack instruierte ihn gründlich, wie er sich in königlicher Präsenz zu verhalten hatte.
    »Ich war wirklich überzeugt, ich hätte an alles gedacht«, schrieb er an seinen Bruder Roy.
    Als Prinz Philip das Innenzelt betrat, setzte sich Jim als würdevoller alter Eskimo perfekt in Pose. Er warf einen verspielten Blick in Jacks Richtung. So weit so gut. Jack klärte den interessierten Prinzen über verschiedene Pelzarten auf und darüber, wie eine Kudlik - Lampe funktionierte, ein Dolmetscher übersetzte ein paar hoheitliche Fragen in die Inuit-Sprache, und alles lief haargenau nach Plan.
    »Bis ich merkte, dass Jim fröhlich und demonstrativ an einer Zigarette zog!«, schrieb Jack weiter. »So viel zu unserer authentischen Inszenierung des alltäglichen Lebens der Eskimos. Ich gestikulierte so heftig, dass meine Gebärden, befürchte ich, noch auffälliger waren

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