Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis
als die Zigarette selbst. Es sollte noch schlimmer kommen. Die Zigarette ging aus irgendeinem Grund aus und Jim holte ein hochmodernes Feuerzeug aus seiner Tasche. Damit war der Schreck perfekt. Gott sei Dank hat Prinz Philipp einen guten Sinn für Humor. Er machte irgendeine Bemerkung wie: ›Ach so, Feuerzeug und Zigaretten gab es damals auch schon‹, und schien sich köstlich zu amüsieren. Alles in allem war es ein gelungener Tag, auch wenn ich gemischte Gefühle dabei habe, dass ausgerechnet Coppermine immer als Aushängeschild für das Leben der einheimischen Bevölkerung herhalten muss.«
Als Andenken an den Besuch durften Jack und Betty einen Satz des eleganten Royal-Albert-Porzellans für sich behalten, das die Hudson Bay Company extra für die royalen Häppchen und königlichen Tassen Tee eingeflogen hatte.
Das Getrappel kleiner Füße
Kein Mensch wünscht sich Leid. Und es wird von keinem Diener Gottes erwartet, dass er den Schmerz mit der Erhabenheit eines Asketen willkommen heißt und als Mittel der Heiligung begrüßt. Um solche tiefschürfende Überlegungen kreisten Bettys Gedanken, als sie hin und wieder in einem ruhigen Moment neben dem Ofen in ihrem kleinen Wohnzimmer saß. Immer wieder dankte sie Gott dafür, dass sie mittlerweile im Gewimmel ihres Alltags in Coppermine wenig Zeit hatte, um das kleine Mädchen zu vermissen, das, hätte es nur gelebt, inzwischen zu ihren Füßen krabbeln würde, erste Worte sprechen würde (»In welcher Sprache wohl?«, fragte sich Betty), bald alt genug sein würde, Schlitten zu fahren. Der weiterhin unerfüllte Kinderwunsch plagte sie tief im Herzen. Immer wieder legte sie ihr Leben bewusst zurück in die Hände Gottes, dessen Ruf sie gefolgt war. Sie lernte auf die gleiche Weise wie die Menschen um sie herum, dass die Dunkelheit der Ort ist, an dem man Jesus am innigsten begegnet und lernt, ihm zu vertrauen. Dass die Einsamkeit, die wie eine Eisenklinge tief in die Seele schneidet, gleichzeitig die Tür in die Nähe Gottes ist. Mit einer gähnenden Leere und mit bohrender Ungewissheit im Herzen zu sagen, auch durch Tränen hindurch: »Dein Wille geschehe.« Das ist Glaube in seiner reinsten Form.
Kurz darauf wurde Betty wieder schwanger. Leichtsinnige Abenteurer, die für eigene Ambitionen alles andere aufs Spiel setzten, waren Jack und Betty nicht, und sie hatten sich die mahnenden Abschiedsworte des Chefarztes in Edmonton zu Herzen genommen. Mit dem Einverständnis der Missionsgesellschaft durfte das Ehepaar seinen ersten Heimaturlaub so legen, dass die zweite Hälfte der Schwangerschaft wie auch die Geburt unter bester medizinischer Versorgung in der Heimatstadt Leicester stattfinden konnte.
Jack und Betty konnten ihr Glück kaum fassen, als sie am 8. April 1956 ihre Tochter Angela in den Armen hielten.
»Beschenkt, über alle Maßen beschenkt«, schrieb Jack in sein Tagebuch, »nicht nur wir, sondern auch Mutter und Vater, auch Onkel Roy, die wider Erwarten die Geburt eines Enkelkinds und einer Nichte und die ersten aufregenden Wochen miterleben dürfen. Mitten in allen Herausforderungen werden wir mit einem Stück Großfamilie und Heimat gesegnet, und wir genießen jede Minute davon.«
Die kleine Prinzessin mit ihren hellblauen Augen und beinahe weißblonden Locken versetzte die Eskimos in ganz Coppermine in ungläubiges Staunen, als die Familie zurückkehrte. Europäer in Kleinformat hatten sie bis dahin selten zu Gesicht bekommen.
»Sind eure Babys immer so blass und winzig?«, fragte eine ältere Mama aus Bettys Frauenkreis, als sie das Kind zum ersten Mal in den Arm nehmen durfte und ihre zarten Locken voller Ehrfurcht streichelte. Betty lachte.
»Nein, sie kommt nach mir. Wart mal ab, vielleicht schenkt uns der Herr beim zweiten Mal ein ganz dunkles, haariges und pummeliges Baby, wie eure es sind!«
Ab diesem Zeitpunkt waren Jacks Briefe, sonst nüchterne Zusammenfassungen aller bestandenen Gefahren und durchlebten Abenteuer draußen auf Reisen, mit Nachrichten über Angelas Entwicklungen gewürzt:
»Inzwischen kann sie laufen, allerdings muss sie sich noch festhalten … Sie hat zwei Zähne, strategisch so platziert, einer oben und einer unten, dass sie mit nur diesen zwei Zähnen klappern kann. Das macht sie mit großem musikalischem und rhythmischem Geschick … Angela wird immer robuster und wir danken dem Herrn für ihre Gesundheit und die Freude, die sie uns bringt. Die Eskimos kommen nach wie vor immer wieder vorbei, nur um ihre
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