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Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
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Alfred, »der schon zwei Frauen hatte und sich eine dritte klaute. Einziges Problem: Diese hatte schon einen Mann. Der beraubte Ehemann legte sich auf die Lauer und schoss Ulukhak in die Hüfte. Dann ging er auf den verwundeten Mann zu, der am Boden lag. Ulukhak bat seinen Rivalen darum, seinem Leben an Ort und Stelle ein Ende zu machen, was dieser mit Freude tat. So schnell war die Sache erledigt. Die gestohlene Frau kehrte zu ihrem Ehemann zurück und das Leben ging weiter, als ob nichts gewesen wäre.«
    Extreme Lebensumstände erforderten extreme Gesetze. In einer gnadenlosen Umwelt, die menschliche Fehler nicht duldete und jeden Fehltritt grausam rächte, war der Tod allgegenwärtig. Jack staunte immer wieder mit schwerem Herzen, mit welcher schamlosen Leichtfertigkeit Gewalttaten früherer Zeiten als Gesprächsthema bei einer gemütlichen Teerunde aufgegriffen wurden. Etwa so:
    »Mein Großvater legte zwei Männer aus einer anderen Siedlung auf einmal um, die zu viele Karibus gejagt hatten und uns nichts übrig ließen. Sie waren sofort tot.«
    »Nur zwei?! Mein Onkel wollte einmal alle Männer töten, die zu einer Siedlung gehörten, in der sein Hund gestohlen wurde.«
    »Und hat er es geschafft?«
    »Nein, sie flüchteten alle in ihre Iglus. Er war ja ganz allein. Aber den Mann, der den Hund gestohlen hatte, den hat er gekriegt. Er hat ihn am Bein schwer verletzt. Du hättest das Blut sehen sollen, das da herausgespritzt ist!«
    Schadenfreudiges Lachen.
    »Warum hat er ihn nicht gleich niedergestreckt?«
    Es war Jacks Reisebegleiter Alec Algiac, der dieses Gespräch mutig unterbrach.
    »Wisst ihr was, Leute«, setzte er spontan an, mit einem feurigen Leuchten in den Augen. Er saß im Schneidersitz auf der Schneeplattform eines Iglus und gestikulierte energisch mit seinen Händen, während er vehement redete. »Mein Vater hat auch einen Mann umgebracht. Aber er litt danach sehr darunter und sagte mir als Junge immer wieder: ›Bitte, bitte, töte niemals einen anderen Menschen, es ist böse, mein Sohn, sehr böse. Es plagt dich dein Leben lang.‹«
    »Warum sagte er so was? Wie löst man sonst einen heftigen Streit?«, fragte der Gastgeber aggressiv.
    Alec warf Jack einen vielsagenden Blick zu, der das Signal sofort aufnahm, seine Bibel auspackte und das Matthäusevangelium bei Kapitel fünf aufschlug.
    »Damit sind wir gleich beim Thema unserer Andacht«, sagte Jack mit emotionaler Stimme. »Wisst ihr, neulich war ich in Eskimo Point, wo die Menschen gar nichts von Jesus wissen. Eine Frau hatte den Mörder ihres Mannes umgebracht und dann aus lauter Verzweiflung ihre zwei Kinder lebendig begraben. Gott sei Dank, die Sache flog so rechtzeitig auf, dass wenigstens eins der Kinder noch zu retten war. Gewalt, Mord, Taten der Verzweiflung: Gerade diese Themen beschäftigten auch die Menschen, die mit Jesus unterwegs waren. Und Jesus sagte etwas Skandalöses dazu. An verschiedenen Stellen: ›Vergebt euren Feinden, tut denen Gutes, die euch hassen, vergeltet Böses mit Gutem, nicht mit Bösem, denn Rache ist mein, spricht der Herr.‹ Ihr fragt euch bestimmt: Heißt das, mein Nachbar darf mit meinen Hunden, meinen Geräten, meinen Kindern und meiner Frau tun, was er will, und ich darf nichts dagegen unternehmen?« Einige Köpfe nickten, einige fragende Blicke warteten auf die Antwort.
    »Natürlich nicht! Aber es geht um eine Herzenshaltung, die entsteht, wenn Gottes Liebe in unsere Herzen kommt …«
    Jack erzählte mit aktuellen Beispielen direkt aus dem Leben seiner Zuhörer über die verändernde Kraft der Liebe Gottes, über die praktischen Auswirkungen, die diese Kraft im Alltag besitzt. Seine Worte trafen ins Schwarze.
    »Es mag sein, dass uns ein Menschenleben im Blick auf das große Ganze wertlos vorkommt. Vor allem wenn dieser Mensch schwach ist oder böse oder faul. Aber spätestens dann, liebe Freunde, wenn es um unser eigenes Leben geht, dann gelten mit einem Mal ganz andere Gesetze, oder? Vielleicht bist du eines Tages schwach oder tust etwas Böses, ohne an die Folgen zu denken. Willst du dafür umgebracht werden?« Eine aufmerksame Stille herrschte im Iglu. Die Gastgeberin schnitt den Docht des Kudlik und das Licht ließ etwas nach.
    »Das alles wusste Jesus. Und deshalb lehrte er seine Freunde: ›So wie du behandelt werden willst, so behandele du andere.‹ Einfach, oder? Aber hart. Und stellt euch vor, wenn alle so leben würden in einer Familie, in einer Siedlung! Wäre es nicht so etwas wie

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