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Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
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persönlicher Gott ist, dem man ohne Vorbehalt sein Leben anvertrauen kann, in guten wie in schlechten Zeiten.
    »Was bringt ihnen der Glaube an Jesus Christus, wenn er gerade in Krisenzeiten nicht hält?«, grübelte er, während der voll beladene Schlitten durch die eiskalte, vom Mond beschienene Schneesavanne raste.
    Peter Kamingoak, der ab und zu Alfreds oder Sams Platz auf dem Schlitten einnahm, wenn Letztere nicht reisen konnten, trieb die Hunde an und blickte konzentriert nach vorne. Plötzlich sprach er: »Mr Sperry, es ist dunkel in deinem Herzen. Willst du erzählen? Wir machen jetzt eine Pause.«
    Jack staunte, nicht zum ersten Mal, über die Sensibilität, mit der dieser feine Mann auch mitten in knochenharter Arbeit Stimmungen spüren konnte. Die beiden zündeten den Kerosinbrenner unter dem stillen Sternenhimmel des späten Winters an und wärmten ihre Hände an ihren Teebechern.
    »Peter, Kituligak wird sterben. Aber nicht wegen der Verletzung, sondern weil er überzeugt ist, dass er unter einem Fluch liegt, der ihn das Leben kostet. Nach dem Besuch in Naguyuktuk fühle ich mich bedrückt wie noch nie«, sagte Jack, »eigentlich fällt mir jeder Abschied schwer. Ich weiß nie, wie diese lieben Leute durch das nächste Jahr kommen werden und ob ich sie jemals wiedersehe. Ob ihnen der Glaube an Jesus überhaupt was bringt. Sie werden immer noch von panischer Angst geplagt. Sie ergeben sich ihrem Schicksal und scheinen gar keine Kraft zu haben, ihr Leben, zumindest dort, wo es möglich ist, selbst in die Hand zu nehmen. Du hast doch die frühere Zeit noch erlebt, als die Angakuk noch herrschten.«
    Angakuk war das Inuitwort für die Schamanen, die wie die Medizinmänner früherer afrikanischer Dörfer Menschen und Geschicke durch mysteriöse Kräfte lenkten.
    Zwei Hunde rauften sich an der Kette, an der sie festgemacht waren. Peter schaute hin, stellte sicher, dass es nichts Ernstes war, und blickte Jack nachdenklich an.
    »Ja, dass sie nichts gegen die allmächtigen Lebenselemente und -umstände unternehmen können, das steckt tief in ihnen drin«, antwortete er und nippte an dem Tee, den Jack gekocht hatte.
    »Früher waren die Angakuk unsere einzige Hoffnung. Wenn irgendwas Schlimmes passierte, holten wir sofort unseren Angakuk, der rätselhafte Orakel befragte. Unsichtbare Geister sprachen durch ihn, seltsame Worte, die keiner verstehen konnte.«
    »Die Leute hatten vor diesen Worten großen Respekt, das haben sie mir oft erzählt. Aber was enthielten die Worte? Erklärungen? Anweisungen?«, fragte Jack.
    »Nichts, gar nichts. Oft redeten sie in fremden Sprachen, gerieten in Trance. Aber das störte uns nicht. Je mehr Mystik, desto mehr Ehrfurcht. Kein Wunder, denn wir glaubten, dass alle Lebensbereiche in den Händen der Angakuk lagen, bis hin zur Wanderung der Karibuherden, den Wetterverhältnissen, Krankheit und Gesundheit, Leben und Tod und Geburten.«
    Jack hörte aufmerksam zu. Vieles wusste er schon, er hatte aber gelernt, Begleiter wie Peter, Alfred, Alec und Sam nie im Fluss einer Erzählung zu unterbrechen. Oft genug wurde er auch jetzt, nach einigen Jahren Erfahrung in der Arktis, von neuen Erkenntnissen überrascht.
    »Es gab aber auch sogenannte ›helfende Geister‹«, erzählte Peter.
    »Naguaguta «, warf Jack ein.
    »Korrekt«, sagte Peter. »Füllst du meinen Becher bitte nach? Rob! Ruhig! Wir fahren bald wieder los, nur Geduld! Die Naguaguta bewohnten Tiere, meist Eisbären und Wölfe, Pflanzen und sogar Menschen und konnten vermitteln. Die Trance war der Weg, wie der Schamane mit diesen ›Helfern‹ kommunizierte. Auf diese Weise sollten negative Umstände, Tragödien, Schicksalsschläge aufgeklärt werden. Es konnte zum Beispiel vorkommen, dass Totengeister ihre Missgunst zum Ausdruck bringen wollten. Oder irgendjemand ein Tabu gebrochen hatte.«
    »Die Tabus üben eine kolossale Macht aus«, sagte Jack nachdenklich, »zum Beispiel die Idee, dass Karibufleisch nie auf Meereseis gegessen werden darf. Als Mensch aus dem Westen würde man sagen, das waren willkürliche, frei erfundene Vorgaben, mit denen der Schamane seine Macht über die Menschen ausübte.«
    »Genau. Als Christ muss ich das auch so sehen. Aber die Menschen sind von Natur aus abergläubisch und wollen handfeste Gründe haben, warum ihnen gewisse Dinge widerfahren, und Anleitungen, was sie dagegen tun können. Der Schamane kommt ihnen gerne zu Hilfe. Karibuhaut darf nur auf dem Land genäht werden. Seekreaturen

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