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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Winde jetzt nichts mehr schützte. Garoth Ursuul würde sie hier alt werden und sterben lassen, und alles, was er verlieren würde, wäre eine Handelsroute, die seit hundert Jahren nicht mehr benutzt worden war.
    Weit draußen im Süden erging es Feir weniger gut, obwohl er seine Suche nach Curoch auf bewundernswerte Weise fortsetzte. Feir hatte einen harten Weg vor sich, und Dorian konnte nichts tun, um es ihm zu erleichtern. Manchmal wurde Dorian ganz übel, wenn er daran dachte. Er hatte Feir auf ein Dutzend verschiedene Arten sterben sehen, einige davon so schändlich, dass er selbst in seiner Trance weinte. Bestenfalls würde Feir ungefähr zwei Jahrzehnte und einen Heldentod vor sich haben.
    Wie immer wagte Dorian sich dicht an seine eigene Zukunft heran. Er hatte einen Weg gefunden, das zu tun, ohne Wahnsinn zu riskieren. Er beobachtete lediglich die Zukunft anderer Leute an den Stellen, an denen sie ihm begegneten. Es funktionierte jedoch nicht besonders gut. Er sah in diesen Fällen ein halbes Dutzend Möglichkeiten, wie eine Person sich mit ihm in Verbindung setzte und auf welche Weise ihre Entscheidungen die Begegnung beeinflussen könnten. Aber er sah sich nicht selbst. Also konnte er sehen, was geschah, aber nicht, warum. Er konnte nicht einer einzelnen Linie seiner eigenen Entscheidungen folgen, um zu sehen, wohin sie ihn führen würde. Ab und zu konnte er sein eigenes Gesicht durch die Augen anderer Leute betrachten und erahnen, was er dachte, aber das geschah nur selten. Es dauerte zu lange,
selbst wenn seine Trance sich über einen Monat erstreckte, und während er sein eigenes Leben zusammensetzte, veränderte sich alles andere.
    Also begann er, sein eigenes Leben direkt zu berühren. Einige Dinge begriff er sofort. Erstens: Er würde binnen eines Jahres für Zehntausende Menschen eine Quelle entweder der Hoffnung oder der Verzweiflung sein.
    Zweitens: Ein klaffendes Loch erstreckte sich über seiner möglichen Zukunft. Er verfolgte es bis zu seinem Ursprung zurück und begriff, dass das Loch deshalb existierte, weil er sich auf einigen Wegen dafür entscheiden würde, seiner Gabe der Prophezeiung zu entsagen. Er war verblüfft. Er hatte natürlich schon früher darüber nachgedacht. Während seiner ganzen Ausbildung bei den Heilern war die Außerkraftsetzung seiner Gabe die einzige Heilung gewesen, die er für seinen wachsenden Wahnsinn hatte finden können. Aber Dorians Gabe war als eine Gabe für die ganze Welt erschienen, und er hatte mit Freuden die Konsequenzen getragen, weil er wusste, dass er anderen würde helfen können, Katastrophen abzuwenden.
    Drittens, Khali selbst kam nach Schreiende Winde.
    Dorian fiel das Herz in den Magen. Wenn sie an der Garnison vorbeikam, würde sie nach Cenaria gehen und sich in dem höllischen Gefängnis einnisten, das man den Schlund nannte. Garoth Ursuul würde zwei seiner Söhne Ferali bauen lassen. Einen würde er gegen die Rebellenarmee einsetzen. Es würde ein Massaker geben.
    Khali und ihr Gefolge waren noch immer zwei Tage entfernt. Dorian hatte Zeit. Er schaute auf sein eigenes Leben zurück und versuchte zu erkennen, wie er eine Katastrophe abwenden könnte. Binnen eines Augenblicks wurde er von
dem Strom mitgerissen. Gesichter schossen an ihm vorbei, wurden zu einem Mahlstrom, saugten ihn in die Tiefe. Seine junge Ehefrau, weinend. Ein Mädchen, erhängt. Ein kleines Dorf im nördlichen Waeddryn, wo er mit Feirs Familie hätte leben können. Ein rothaariger Junge, der in fünfzehn Jahren wie ein Sohn für ihn sein würde. Er ermordete seine Brüder. Betrog seine Frau. Sagte seiner Frau die Wahrheit und verlor sie. Eine goldene Maske seines eigenen Gesichts, die goldene Tränen weinte. Er marschierte mit einer Armee. Neph Dada. Kehrte der Armee den Rücken. Einsamkeit, Wahnsinn und Tod, auf ein Dutzend verschiedene Weisen. Am Ende eines jeden Pfades konnte er nur Leiden sehen. Wann immer er etwas Gutes für sich selbst wählte, litten jene, die er liebte.
    »Du hast es gewusst?«, fragte seine Frau. »Du hast es die ganze Zeit über gewusst?«
    »Nein!« Dorian fuhr ihm Bett hoch und erwachte.
    Solon zuckte in dem Sessel Dorian gegenüber zusammen. Er machte eine Handbewegung, und die Lampen im Raum leuchtete auf. »Dorian? Du bist wieder da! Ich hoffe, was immer du getan hast, war wichtig, denn ich wollte dich ungefähr hundert Mal wecken.«
    Dorians Kopf schmerzte. Welcher Tag war heute? Wie lange war er katatonisch gewesen? Seine Antwort lag in

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