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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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angenommen hatte, hatte sie Kylar unter ihren Hüften und unter ihrem Messer gehabt. Er hatte ihr gefallen. Er war überraschend ruhig geblieben für einen Mann in seiner Situation. Ruhig
und ein wenig charmant, wenn man lahmen Humor angesichts des Todes anziehend fand.
    Und sie hätte ihn getötet, aber sie hatte gezögert. Nein, nicht gezögert. Es war weniger ein Mangel an Entschlossenheit gewesen, der sie an jenem Tag hatte innehalten lassen, als Stolz darauf, dass sie einen schwierigen Auftrag so schnell erledigt hatte. Hu machte ihr niemals Komplimente für ihre Arbeit. Kylars Lob hatte aufrichtig gewirkt, und es gab nicht viele Menschen, mit denen ein Blutjunge fachsimpeln konnte. Also hatte Vi der Versuchung nachgegeben, mit der Kylar sie geködert hatte, und war auf seine Verzögerungstaktik eingegangen.
    Dann war der Graf in den Raum gestürmt, und Kylar hatte ihr ein Messer in die Schulter gerammt, bevor sie fliehen konnte. Monate später pulsierte ihre Schulter immer noch manchmal. Sie hatte ein wenig an Beweglichkeit verloren, obwohl sie auf der Stelle zu dem Hexer gegangen war, von dem Hu sich heilen ließ.
    Beim nächsten Mal würde sie nicht zögern.
    Sie wusste, dass Jarls Ermordung sie mit Jubel hätte erfüllen müssen. Sie war jetzt frei. Ein Blutjungenmeister. Hu würde in ihrem Leben nichts mehr zu sagen haben, und wenn er es versuchte, konnte sie ihn töten, ohne sich um Vergeltung durch die Sa’kagé Sorgen machen zu müssen. Das hieß, falls die Sa’kagé überlebte, was immer der Gottkönig geplant hatte.
    Ich habe Jarl getötet. Der Gedanke wollte nicht weggehen. War zwei Tage lang nicht weggegangen. Ich habe den Mann getötet, den ich von allen Menschen am ehesten einen Freund hätte nennen können.
    Die Ermordung war nichts Besonderes gewesen. Jedes Kind konnte auf ein Dach klettern und einen Pfeil abschießen. Sie hatte ihr Ziel verfehlen wollen, nicht wahr? Sie hätte es verfehlen
können. Sie hätte den Schuss einfach nicht abzugeben brauchen. Sie hätte hineingehen, sich Kylar und Jarl anschließen und gegen den Gottkönig kämpfen können. Aber sie hatte es nicht getan.
    Sie hatte getötet, und jetzt war sie wieder allein, auf dem Weg zu einem Ziel, zu dem sie nicht reisen wollte; sie nahm ein kleines Mädchen gegen dessen Willen mit und zwang einen Mann, den sie respektierte, ihr in eine Falle zu folgen.
    Du bist ein grausamer Gott, Nysos. Konntest du mir nicht mehr als Staub und Asche geben? Mir, die ich dir so getreulich diene. Von meinem Messer und meinen Lenden fließen Ströme von Blut und Samen. Verdiene ich dafür nicht einen Ehrenplatz? Verdiene ich nicht einen einzigen Freund?
    Sie hustete und blinzelte hektisch. Dann biss sie sich auf die Zunge, bis sie zu bluten drohte. Ich werde nicht weinen. Nysos kann sein Blut und seinen Samen haben, aber er wird niemals meine Tränen bekommen. Verflucht sollst du sein, Nysos. Aber sie sprach die Worte nicht laut aus. Sie hatte ihrem Gott zu lange gedient, als dass sie seinen Zorn riskiert hätte.
    Sie hatte einmal sogar auf dem Weg zu einem Auftrag eine Art Pilgerwanderung in eine kleine Stadt im sethischen Weinland unternommen, die Nysos heilig war. Das Erntefest war dem Gott gewidmet. Der Wein floss in Strömen. Von Frauen erwartete man, dass sie sich jeweder Leidenschaft hingaben, die sie bewegte. Sie hatten sogar eine seltsame Form des Geschichtenerzählens, bei der Männer auf einer Bühne standen, Masken hielten und schauspielerten, während das Publikum einem in drei Teile untergliederten Zyklus folgte. Das Stück erzählte vom Leiden Sterblicher und der Notwendigkeit, dass ihre Götter die Dinge wieder in Ordnung brachten. Dann folgte eine boshafte Komödie, die jeden Bewohner des Dorfes lächerlich zu machen schien, selbst den Verfasser
des Schauspiels. Die Stadt liebte es. Die Menschen klatschten und sangen trunken mit, während heilige Lieder gespielt wurden, und sie rammelten wie Kaninchen. Eine Woche lang durfte niemand einen sexuellen Annäherungsversuch ablehnen. Für Vi war es eine lange Woche gewesen. Sie hatte sich angewöhnt, ausgebeulte Kleidung zu tragen, weil sie hoffte, auf diese Weise weniger Männer anzulocken.
    Wofür all das, Nysos? Für ein Leben? Hu geht auf die vierzig zu, und so sehr er auch behaupten mag, dir zu dienen, der Name eines Gottes kommt ihm nur in Flüchen über die Lippen.
    Als Vi zu den am Boden ausgelegten Bettrollen zurückkehrte, hatte Uly den ganzen Wasserschlauch geleert. Sie sah

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