Am Rande Der Schatten
es taten.
»Elana?«, fragte der Soldat. »Elly, bist du das?« Er errötete, riss die Augen auf und warf seinen Umhang weg. Dann sprang er von der Mauer.
Er war schon fast unten angekommen, als er wie wild mit den Armen zu rudern begann, weil er plötzlich begriff. Im gleichen Moment versuchte er noch, etwas zu finden, um sich zu retten. Die Felsen brachen seinen Körper auf grausame Weise, und der Wind verschluckte seinen Todesschrei.
Plötzlich sirrten Pfeile durch die Luft, während etliche Männer begannen, Solons früherem Befehl zu folgen, sofort zu schießen, wenn Seltsames geschah. Der Nebel wogte, und er sah den gewaltigen Wagen vorwärtsrollen, umringt von khalidorischen Soldaten und gezogen von Auerochsen. Solons Herz machte einen Satz, als er sah, wie zahlreiche Khalidori von der ersten Welle niedergemäht wurden. Die Auerochsen wurden von mehreren Pfeilen getroffen und gerieten nicht einmal ins Stocken.
Aber der Hagel von Pfeilen ließ nach.
Auf der anderen Seite der Mauer sah Solon Männer, die sich von der Mauer stürzten. Andere schüttelten den Kopf, ein jeder verloren in einer privaten Vision, während er den Bogen in schlaffen Händen hielt.
Schau nicht hin, Solon. Schau nicht hin.
Ich werde es nicht glauben. Nur ein schneller …
Die Magie brüllte an ihm vorbei, während er mit ungeheurer Geschwindigkeit flog.
Und dann Ruhe.
Er blinzelte. Er stand in der Halle der Winde. Der prächtige Jadethron leuchtete grün wie die Wasser der Hokkai-Bucht. Oben auf dem Thron saß eine Frau, die er kaum erkannte. Kaede Wariyamo war sechzehn gewesen, als er die Inseln verlassen hatte. Obwohl er schon in ihrer beider Kindheit, da sie miteinander gespielt hatten, wusste, dass sie schön werden würde, fühlte er sich angesichts ihrer Verwandlung unbeholfen. Sie hatte ihn dafür getadelt, dass er sie mied. Aber er hatte keine Wahl gehabt. Er wusste, dass er für immer fortgehen musste, aber er war niemals auf das vorbereitet gewesen, was ihr Anblick mit ihm machen würde.
Zwölf Jahre später hatte sie an Anmut und Selbstbewusstsein gewonnen. Hätte er sie nicht so gut gekannt, hätte er den Anflug von Nervosität in ihren Augen niemals bemerkt - wird er immer noch denken, ich sei schön?
Er dachte es. Ihre olivfarbene Haut leuchtete noch immer, das schwarze Haar fiel ihr wie ein Wasserfall um die Schultern, und in ihren Augen standen noch immer Intelligenz, Weisheit und Schelmerei. Vielleicht war früher dort weniger Weisheit und mehr Schelmerei gewesen, aber diese Lippen sahen so aus, als hätten sie noch immer genug Lächeln für drei Menschenleben. Und wenn sich um ihre Augen und ihren Mund winzige Lachfältchen zeigten - was für ein Tribut an ein gut gelebtes Leben. Für ihn waren sie ein Ehrenabzeichen.
Er ließ den Blick über ihren Körper wandern, der eingehüllt war in eine hellblaue Seiden-Nagika, dazu geschnitten, die Perfektion einer jeden Kurve zu betonen, an der Taille zusammengehalten durch einen schmalen Goldgürtel, während die Seide über eine Schulter geschlungen war. Ihr Bauch war noch immer flach und muskulös. Keine Schwangerschaftsstreifen. Kaede hatte niemals Kinder geboren. Sein Blick verweilte auf ihrer entblößten Brust.
Perfekt. Sie war perfekt.
Ihr Lachen durchbrach seine Gedanken. »Warst du so lange in Midcyru, dass du vergessen hast, wie Brüste aussehen, mein Prinz?«
Solon errötete. Nachdem er so viele Jahre lang Frauen gewöhnliche Körperteile hatte behandeln sehen, als wären sie erotisch, und erotische Körperteile, als wären sie gewöhnlich, war er gründlich verwirrt. »Ich entschuldige mich, Euer Majestät.« Dann entsann er sich seiner Manieren und versuchte niederzuknien, aber irgendetwas hinderte ihn an der Bewegung.
Es spielte keine Rolle. Alles, was zählte, war vor ihm. Er konnte den Blick nicht von ihr abwenden.
»Es war schwer, dich zu finden, Solonariwan«, sagte Kaede.
»Heute nur noch Solon.«
»Das Reich braucht dich, Solonariwan. Ich werde keine Forderungen an dich stellen, bis auf - bis auf die Zeugung eines Erben, und wenn du Räume für eine Mätresse benötigst, wird es arrangiert werden. Das Reich braucht dich, Solon. Nicht nur um deiner Familie willen. Um deiner selbst
willen. Ich brauche dich.« Sie sah so zart aus, als könne der Wind sie brechen. »Ich will dich, Solon. Ich will dich, wie ich dich vor zwölf Jahren gewollt habe, und wie ich dich davor wollte, aber jetzt will ich deine Kraft, deine Seelenstärke, deine
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