Am Rande Der Schatten
den Tunnel gesichert.« Vi, das begriff Kylar jetzt, konnte ausgesprochen hochnäsig sein. »Nicht dass es besonders viel genutzt hätte, denn es gibt keinen Schlüssel. Sie müssen Angst vor diesem … diesem Ding gehabt haben«, äffte sie ihn nach. »Jetzt werden wir zurückgehen müssen. Ich würde empfehlen, dass wir unauffällig schleichen, aber du scheinst ja in Flammen zu stehen.«
Kylar schob sich an Vi vorbei und legte die Hände, eine über die andere, auf die Kante der Eichentür.
»Was machst du da?«, fragte sie.
Gott, war die Tür dick. Trotzdem, wenn er die Magie nicht in sich aufnehmen konnte, warum sollte er sie dann nicht kanalisiert abgeben? Er spürte, wie die Magie ihn verließ. Er blickte hinab und sah, dass er Löcher von der Größe und Form seiner Hände durch die fußdicke Eiche und die eisernen Beschläge der Tür gebrannt hatte.
Er schluckte - wie zur Hölle habe ich das gemacht? - und drückte gegen die Tür. Sie gab nicht nach, bis er erneut Magie einsetzte; dann öffnete sie sich und fiel zu Boden.
Kylar trat hindurch. Als Vi ihm nicht folgte, drehte er sich um. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, der so verblüfft und verwirrt und beredt war, dass er genau wusste, was sie sagen würde.
»Was zur Hölle bist du?«, fragte Vi. »Hu hat mir niemals etwas Derartiges beigebracht. Hu wusste überhaupt nicht von etwas Derartigem.«
»Ich bin einfach ein Blutjunge.«
»Nein, Kylar. Ich weiß nicht, was du bist, aber du bist überhaupt nicht ›einfach‹.«
63
»Warum habt Ihr mir meine königlichen Gewänder verweigert?«, fragte das Mädchen. Die Prinzessin trug ein trostloses Kleid, das ihr viel zu groß war, und hatte sich das Haar zu einem schlichten Pferdeschwanz zurückgebunden. Der Gottkönig hatte ihr sogar Kämme vorenthalten.
»Glaubst du an das Böse, Jenine?« Garoth saß auf Jenines Bett im Nordturm. Es war kurz vor Sonnenaufgang an dem Tag, an dem er den cenarischen Widerstand endlich vernichten würde. Es würde ein guter Tag werden. Er war bester Laune.
»Wie könnte ich in Eurer Gegenwart dasitzen und nicht daran glauben?«, zischte sie. »Wo sind meine Sachen?«
»Eine schöne Frau bewirkt Dinge bei einem Mann, junge Dame. Es ginge nicht an, dir Gewalt anzutun. Es würde mir Missvergnügen bereiten, dich so schnell gebrochen zu sehen.«
»Habt Ihr keine Kontrolle über Eure Männer? Ein schöner Gott seid Ihr. Ein schöner König.«
»Ich spreche nicht von meinen Männern«, sagte Garoth leise.
Sie blinzelte.
»Du erregst mich. Du hast das, was wir yushai nennen. Es ist Leben und Feuer und Stahl und Lebensfreude. Ich habe es zuvor in meinen Ehefrauen ausgelöscht; das ist der Grund,
warum du in Abgeschiedenheit lebst und keine hübschen Kleider tragen darfst. Es ist der Grund, warum ich mein Verlangen an einer deiner Kammerzofen gestillt habe: um dich zu schützen. Du wirst meine Königin sein, und du wirst mein Bett teilen, aber nicht jetzt schon.«
»Niemals!«
»Siehst du? Yushai .«
»Fahrt zur Hölle«, sagte Jenine.
»Du bist eine verfluchte Frau, nicht wahr? Meine Familie ist die dritte königliche Familie, zu der du gehörst - und den beiden ersten ist es nicht gut ergangen, nicht wahr? Dein Ehemann hat sich … wie lange gehalten? Eine Stunde?«
»Bei dem Einen und den Hundert«, erwiderte sie, »möge Eure Seele in die Grube geworfen werden. Möge jede Frucht in Eurer Reichweite voller Würmer sein und verfaulen. Mögen Eure Kinder Euch verraten …«
Er ohrfeigte sie. Einen Moment lang bewegte sie den Kiefer und blinzelte sich Tränen aus den Augen.
Dann fuhr sie fort. »Möge …«
Er schlug sie abermals, härter diesmal, und verspürte ein gefährliches Aufwallen von Lust in seinen Lenden. Verdammte Khali.
Sie wollte ihn gerade anspucken, als er sie mit den Vir knebelte.
»Führe einen Mann niemals so sehr in Versuchung, dass er es nicht mehr ertragen kann. Verstehst du?«, fragte er.
Sie nickte, die Augen weit aufgerissen und auf die schwarzen Vir gerichtet, die über seine Haut glitten.
Die Vir ließen sie los. Garoth Ursuul seufzte enttäuscht und ignorierte die Fremden . Jenine wirkte vollkommen verängstigt.
Gut. Vielleicht wird es sie Vorsicht lehren. Nachdem Neph ihm die Prinzessin als Geschenk und Entschuldigung für das Durcheinander dargebracht hatte, zu dem Cenaria geworden war, war Garoth sofort hingerissen gewesen. Er hatte Prinzessin Gunder zuerst mit dem Gepäckzug, der ihre besten Beutestücke trug, nach Khaliras
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