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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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mich selbst. Ich sah, wie er sich vom Pfad des Gottseins abwandte, wie ich es um ein Haar getan hätte.« Er hielt inne. »Hast du jemals vor einem Abgrund gestanden und gedacht, du könntest springen?«
    »Ja«, antwortete Jenine.
    »Das tut jeder«, sagte Garoth. »Hast du mit jemand anderem dort gestanden und gedacht, du könntest ihn hinunterstoßen?«
    Entsetzt schüttelte sie den Kopf.

    »Ich glaube dir nicht. Wie dem auch sei, so war es bei Dorian. Ich dachte, ich könnte ihn hinunterstoßen. Also habe ich es getan. Nicht weil es mir geholfen hat, sondern nur weil ich es konnte. Ich zog ihn ins Vertrauen, und er hätte mich beinahe vom Gottsein abgewendet - also habe ich ihn auf die tiefgreifendste Art verraten, die ich mir vorstellen konnte. Es war der Moment, in dem ich der Reinheit des Bösen am nächsten gekommen bin.
    Verstehst du, in meinen Augen birgt die Welt nur zwei Mysterien. Das Böse ist das erste, und die Liebe ist das zweite. Ich habe Liebe gesehen, die benutzt wurde, die zu einem Hohn ihrer selbst übertrieben wurde, die pervertiert, geheuchelt und verraten wurde. Liebe ist etwas Zerbrechliches, Verderbliches. Und doch habe ich sie eine seltsame Stärke an den Tag legen sehen. Sie entzieht sich meinem Verständnis. Liebe ist Schwäche, die ganz selten einmal über Stärke triumphiert. Verwirrend. Was meinst du dazu, Jenine?«
    Ihr Gesicht war steinern. »Ich weiß nichts über Liebe.«
    Er schnaubte. »Du brauchst dich nicht zu schämen. Ein einziger interessanter Gedanke ist mehr, als ich von den meisten meiner Ehefrauen bekomme. Macht ist eine Hure. Sobald du sie endlich in Händen hältst, begreifst du, dass sie jeden Mann in Sichtweite umwirbt.«
    »Was ist der Sinn all Eurer Macht?«, fragte Jenine.
    Er legte die Stirn in Falten. »Wie meinst du das?«
    »Ich würde sagen, das ist Euer Problem, hier und jetzt.«
    »Jetzt sprichst du mit der Einsicht, die ich von einer Frau erwarte. Nämlich mit gar keiner.«
    »Danke, dass Ihr das klargestellt habt.«
    Ah, sie war also tatsächlich so klug, wie behauptet wurde. Als er gehört hatte, dass sie Bücher erbeten hatte, war er ins
Grübeln gekommen. Es war besser, Frauen nicht lesen zu lassen. »Gern geschehen. Also, wo war ich?«
    Sie antwortete, aber er hörte ihr nicht zu. Irgendetwas war gerade mit Tensers Ferali geschehen. Er konnte es durch die Netze der Magie spüren, die er überall in der Burg verankert hatte. Was immer das gerade bewirkt hatte, es war mächtiger, als er erwartet hatte.
    »Ich kann erkennen, dass du hier nicht glücklich bist, daher schicke ich dich nach Khaliras«, sagte er, während er zur Tür ging. »Solltest du irgendwelche Botschaften verschicken oder eine Flucht versuchen, werde ich all deine Freunde und hundert Unschuldige zusammentreiben lassen und sie töten.« Er durchquerte den Raum und küsste sie wild. Ihre Lippen waren kalt und vollkommen unnachgiebig.
    »Leb wohl, meine Prinzessin«, sagte er.
    Draußen vor der Tür hielt er inne, bis er hörte, dass sie in Tränen ausbrach. Es folgte das Rascheln von Decken, als sie sich aufs Bett warf, und er glaubte, Logans Namen zu hören. Was das betraf, hatte er Befehle gegeben. Falls Jenine herausfand, dass Logan noch lebte, würde sie sich Garoths Willen niemals beugen. Dieses Ziehen am Netz lockte ihn, aber er hielt dennoch inne. Im Allgemeinen bedeutete das Weinen einer Frau ihm nichts, aber heute … Er drehte das Gefühl um wie einen Stein von seltsamer Farbe. Waren das Schuldgefühle? Reue? Warum verspürte er den verrückten Drang, sich zu entschuldigen?
    Eigenartig. Er würde später darüber nachdenken müssen. Wenn Jenine sich in sicherer Entfernung befand.
    Er befahl sechs riesigen Hochländern von der Wache des Gottkönigs, sie auf der Stelle nach Khalidor zu bringen, dann ging er die Treppe hinunter.

64
    Feir suchte in der Abenddämmerung die cenarische Armee ab, in der Hoffnung, Solon oder Dorian zu finden. Doch er entdeckte keinen der beiden. Als er sich erkundigte, warum die Garnison Schreiende Winde nicht hier sei, erzählte ihm ein Graf namens Rimbold Drake von dem Massaker und teilte ihm auch eine Sorge mit: Wenn Khali Veteranen niedergemetzelt hatte, was würde geschehen, wenn sie die Göttin hierherbrachten?
    Verzweifelt ritt Feir weiter. Er trug die einzige mögliche Rettung für die ganze ignorante Armee bei sich. Um die Dinge noch schlimmer zu machen, war er kein Seher, zumindest nicht in einem nützlichen Sinne. Er konnte magische Gewebe

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