Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
geschickt, aber er hatte sie sich nicht aus dem Kopf schlagen können. Schließlich hatte er befohlen, sie zurückzubringen. Es war ein verrücktes Risiko. Wenn die Cenarier erfuhren, dass sie noch lebte, und sie retteten, würden sie eine legitime Regentin haben. Und dieses Mädchen würde regieren, wenn sich ihr die Chance bot und sie ein wenig Glück hatte. Sie war furchtlos.
    »Zurück zu meiner Frage, Jenine. Glaubst du an das Böse?«, wiederholte der Gottkönig. Es war das Beste, seinem Geist etwas zu tun zu geben, wenn dieses Gespräch nicht für sie mit Tränen und für ihn mit gestilltem Abscheu enden sollte. »Manche Menschen nennen es böse, wenn meine Soldaten des Nachts an eine Tür klopfen und einen Mann fragen, wo sein Bruder sei, und der eingeschüchterte Mann es ihnen erzählt. Oder wenn eine Frau eine gefüllte Börse auf der Straße liegen sieht und sie an sich nimmt. Ich frage dich nicht, ob du an Schwäche oder Ignoranz glaubst, die anderen schadet. Ich frage dich, ob du an ein Böses glaubst, das in Zerstörung schwelgt, in Perversion. Ein Böses, das dem Guten ins Antlitz blicken und es anspucken würde.
    Verstehst du, wenn ich einen Spross meines Samens töte, ist es kein Akt des Bösen. Ich weiß, wenn ich das schlagende Herz aus der Brust dieses Knaben reiße, töte ich ihn nicht nur. Ich wecke in allen anderen eine solche Furcht, dass es mich mehr Mann sein lässt. Es macht mich unantastbar, unergründlich, es macht mich zu einem Gott. Das sichert
meine Herrschaft und mein Königreich. Wenn ich eine Stadt einnehmen will, treibe ich die Bewohner nahe gelegener Dörfer vor meiner Armee her. Wenn die Stadt Kriegsmaschinen gegen meine Männer einsetzen will, müssen sie zuerst ihre Freunde und Nachbarn töten. Brutal, ja. Aber böse? Man könnte sagen, es rettet Leben, weil die Städte sich im Allgemeinen ergeben. Oder sie tun es, wenn ich anfange, lebende Menschen in die Stadt zu katapultieren. Du würdest staunen, was das simple Geräusch eines Schreis, der schriller wird und mit einem dumpfen Aufprall endet, mit Soldaten macht, wenn es alle dreizehn Minuten wiederholt wird. Sie können nicht umhin, sich zu fragen - kenne ich diese Stimme? Aber ich schweife ab. Verstehst du, ich nenne nichts von all dem böse. Unsere Gesellschaft ruht auf dem Fundament der Macht des Gottkönigs. Wenn der Gottkönig keine absolute Macht hat, bricht alles zusammen. Dann kommen Chaos, Krieg, Hunger, Seuchen, die nicht unterscheiden zwischen den Unschuldigen und den Schuldigen. Alles, was ich tue, wehrt diese Situation ab. Ein wenig Brutalität bewahrt uns, wie das Messer eines Chirurgen Leben bewahrt. Meine Frage ist, glaubst du an ein Böses, das besessen ist von seiner eigenen Reinheit? Oder liegt hinter jeder Tat eine gute Absicht?«
    »Warum stellt Ihr mir diese Fragen?«, wollte Jenine wissen. Ihr Gesicht hatte eine wächserne Blässe angenommen. Sie hätte damit wie eine Khalidori ausgesehen, wäre ihre Haut nicht leicht grünlich gewesen.
    »Ich rede immer mit meinen Ehefrauen«, erwiderte der Gottkönig. »Zunächst einmal weil nur Wahnsinnige regelmäßig Selbstgespräche führen. Außerdem besteht eine geringe Chance, dass eine Frau zu einer Einsicht kommen könnte.«
    Er köderte sie und wurde belohnt, als sie ein wenig von ihrem yushai wiederfand. Sie erinnerte ihn an Dorians Mutter und an die Mutter Moburus.
    »Ich denke, das Böse hat Handlanger«, sagte Jenine. »Ich denke, wir gestatten dem Bösen, uns zu benutzen. Das Böse schert sich nicht darum, ob wir wissen, dass das, was wir tun, böse ist oder nicht. Nachdem wir seinen Willen getan haben, kann es, wenn wir uns schuldig fühlen, diese Schuld benutzen, um uns in unseren eigenen Augen zu verdammen. Wenn wir uns gut fühlen, kann es uns unverzüglich für sein nächstes Ziel benutzen.«
    »Du bist ein faszinierendes Kind«, bemerkte Garoth. »Eine solche Idee ist mir noch nie gekommen.« Es gefiel Garoth nicht. Es machte ihn zu etwas Geringerem: zu einem bloßen Werkzeug, ignorant oder wissend, aber immer nur beteiligt an etwas. »Weißt du, ich hätte diesen Thron beinahe freigegeben. Ich hätte beinahe alles zurückgewiesen, was es bedeutet, in der Ahnenreihe der Götter zu stehen.«
    »Wirklich?«
    »Ja, zweimal. Das erste Mal, als ich noch ein Edeling war, und dann, als ich Vater war. Stärke holte mich zurück, beide Male. Non takuulam. ›Ich werde nicht dienen.‹ Verstehst du, wir hatten einen Sohn namens Dorian. Er erinnerte mich an

Weitere Kostenlose Bücher