Am Rande Der Schatten
Geschäft zurückgezogen hatte. Weniger als ein Dutzend Menschen wussten, dass er der Shinga war. Wenn er es wollte, konnte er den Kontakt zu ihnen einfach abbrechen. Wenn er es nicht versuchte, konnte er nicht scheitern.
»Jarl«, sagte Momma K mit sanfter Stimme. »Nur weil es ein Traum ist, bedeutet das nicht, dass es eine Lüge ist.«
Er schaute zwischen den beiden hin und her und fragte sich, wie sehr sie ihn durchschauten. Momma K blickte ihm wahrscheinlich bis ins Herz. Es war beängstigend. Allein aufgrund ihres Schweigens hätte er Verdacht schöpfen sollen, aber er konnte nicht wütend auf sie sein. Sie hatte mehr Geduld mit ihm gehabt, als er verdiente.
Mich selbst um meine Arbeit bringen. Elene hatte gesagt, sie könne sich Cenaria nicht ohne die Sa’kagé vorstellen, die Sa’kagé, die alles beschmutzte, aber Jarl konnte es sehr wohl. Es würde eine Stadt sein, in der eine Geburt auf dem Westufer nicht Hoffnungslosigkeit bedeutete, Ausbeutung, Zeit in den Gilden, Armut und Tod. Er hatte Glück gehabt, für Momma K arbeiten zu können. Das Labyrinth bot so gut wie keine
ehrliche Arbeit, gewiss nicht für Waisen. Die Sa’kagé speiste sich direkt aus einer sich selbst erneuernden Unterklasse von Huren und Dieben, die ihre Kinder im Stich ließen, geradeso wie sie selbst von ihren Eltern im Stich gelassen worden waren. Aber es konnte anders sein, nicht wahr?
Nur weil ein Traum ein Traum ist, bedeutet das nicht, dass es eine Lüge ist. Sie deuteten an, dass er Hoffnung ins Labyrinth brachte. »Schön«, sagte Jarl. »Unter einer Bedingungen, Brant: Wenn sie mich töten - wer immer ›sie‹ sein mögen -, will ich, dass Ihr ein Gedicht für meine Beerdigung schreibt.«
»Einverstanden«, erwiderte der General grinsend. »Und ich werde es sehr gefühlvoll machen.«
16
Kylar saß in der Dunkelheit auf dem Bett und betrachtete die schlafende Elene. Sie war die Art von Mädchen, die einfach nicht bis spät in die Nacht aufbleiben konnte, wie sehr sie es auch versuchte. Ihr Anblick erfüllte ihn mit solcher Zärtlichkeit und solchem Elend, dass er es kaum ertragen konnte. Seit sie versprochen hatte, ihn nicht länger zu bitten, Vergeltung zu verkaufen, hatte sie Wort gehalten. Was keine Überraschung war, aber sie hatte nicht einmal Andeutungen gemacht.
Er liebte sie. Er war nicht gut genug für sie.
Er hatte immer geglaubt, dass man so wurde wie die Menschen, mit denen man seine Zeit verbrachte. Er liebte all die Dinge an ihr, die er nicht war. Offenheit, Reinheit, Mitgefühl. Sie war Lächeln und Sonnenschein, und er gehörte der Nacht.
Er wollte ein guter Mann sein, sehnte sich danach, aber vielleicht wurden einige Leute einfach besser geboren als andere.
Nach jener ersten Nacht hatte er sich geschworen, nicht wieder zu töten. Er würde hinausgehen und trainieren, aber er würde nicht töten. Also trainierte er für nichts und feilte an Fähigkeiten, die nicht zu benutzen er geschworen hatte. Das Training war eine blasse Imitation des Kampfes, aber er würde sich damit zufriedengeben.
Sein Entschluss hielt sechs Tage, dann war er unten an den Docks und stieß auf einen Piraten, der brutal auf einen Schiffsjungen einschlug. Kylar hatte lediglich beabsichtigt, die beiden zu trennen, aber die Augen des Piraten hatten Tod verlangt. Vergeltung hatte ihn gebracht. In der siebten Nacht hatte er einfach geübt, sich draußen vor einer Taverne in der Stadtmitte zu verstecken und zu versuchen, Orte zu meiden, an denen er wahrscheinlich auf Zuhälter, Diebe, Vergewaltiger oder Mörder stieß. Ein Mann war vorbeigekommen, der einen Ring kindlicher Taschendiebe leitete - ein Tyrann, der die Kinder durch schiere Brutalität unter Kontrolle hielt. Vergeltung fand das Herz des Mannes, bevor Kylar sich bremsen konnte. In der achten Nacht war er im Viertel der Edelleute gewesen, in der Hoffnung, dort weniger Gewalttätigkeit vorzufinden, als er hörte, wie ein Edelmann seine Mätresse verprügelte. Der Nachtengel kam unsichtbar herein und brach dem Mann beide Arme.
Kylar hielt Vergeltung auf dem Schoß und sah Elene an. Jeden Tag versprach er sich, nicht zu töten, niemals wieder, und er hatte sechs Nächte lang nicht getötet. Aber ein Teil von ihm wusste, dass er einfach Glück gehabt hatte. Das Schlimmste daran war, dass er sich wegen der Morde nicht schuldig fühlte. Wann immer er für Durzo getötet hatte, hatte
er sich schrecklich gefühlt. Diese Morde bewirkten nichts. Er fühlte sich nur schuldig, weil
Weitere Kostenlose Bücher