Am Rande Der Schatten
Boden zerstört sein wird, ganz gleich, ob ich lüge oder die Wahrheit sage. In diesem Punkt sind wir Brüder, Kylar. Der Gott gibt geringeren Männern einfachere Probleme. Ich bin hier, weil du mich brauchst.«
Kylars Ärger löste sich auf. Er blickte in den Nebel. Der ganze Ort erschien ihm als eine passende Metapher für sein Leben - gefangen im Zwielicht, ohne etwas Eindeutiges, etwas Greifbares, ohne einen einfachen Pfad.
»Ich versuche mich zu ändern«, sagte Kylar, »aber ich schaffe es nicht. Ich dachte, ich könnte einfach mit meiner Vergangenheit brechen und weiterziehen, und die Sache wäre erledigt. Ich betrete einen Raum, und ich kundschafte ihn aus. Ich halte Ausschau nach Ausgängen, registriere, wie hoch die
Decken sind, überprüfe potenzielle Bedrohungen, wie gut die Haftung auf dem Boden ist. Wenn ein Mann mich aus einer Gasse anstarrt, überlege ich, wie ich ihn töten werde - und es fühlt sich gut an. Ich habe das Gefühl, die Dinge unter Kontrolle zu haben.«
»Bis?«, fragte Dorian.
Kylar zögerte. »Bis es mir wieder einfällt. Ich muss mich dazu zwingen zu denken, dass meine Instinkte falsch sind. Und dann hasse ich das, wozu ich geworden bin.«
»Und wozu bist du geworden?«, fragte Dorian.
»Zu einem Mörder.«
»Du bist ein Lügner und ein Meister des Todes, aber du bist kein Mörder, Kylar.«
»Hm, danke.«
»Was ist der Nachtengel, Kylar?«
»Das weiß ich nicht. Durzo hat es mir nie gesagt.«
»Pferdescheiße. Warum vertraust du dir selbst nicht? Warum bittest du Elene nicht, dir zu vertrauen? Warum vertraust du ihr die Wahrheit nicht an?«
»Sie würde es niemals verstehen.«
»Woher weißt du das?«
Was war, wenn sie es doch verstand? Was, wenn sie ihn, sobald sie ihn durch und durch bis in die Tiefen kannte, zurückwies? Was würde das mit ihm machen?
»Ihr beide seid so jung, dass ihr nicht wisst, wo der Kopf sitzt und wo der Arsch«, sagte Dorian. »Aber du fängst an, dich selbst kennenzulernen. Elene hat eine winzige Schachtel als ihren Glauben akzeptiert, und du befindest dich weit außerhalb dessen, was sie über den Gott weiß. Sie hat die Arroganz der Jugend, die ihr sagt, dass das, was sie über den Gott weiß, alles ist, was es über Ihn zu wissen gibt. Sie liebt
dich, daher will sie, dass du mit ihr in dieser Schachtel bleibst. Doch diese Schachtel ist zu klein für dich. Du kannst einen Gott nicht verstehen, der nur Barmherzigkeit ist und keine Gerechtigkeit. Dieser niedliche, flauschige Gott, der sich im Labyrinth keine zwei Minuten lang halten würde, nicht wahr? Nun, es ist mir unangenehm, dir das zu sagen, aber Elene ist achtzehn. Was sie über den Gott weiß, ist nicht besonders viel.
Kylar, ich glaube nicht, dass der Gott dich abstoßend findet. Das Grauen ist Folgendes: ungeheure Macht in der einen Hand zu halten und ein starkes Moralgefühl in der anderen und absolut kein Fundament, auf dem man stehen kann. Während der letzten Monate hast du versucht, Elenes moralische Schlussfolgerungen zu akzeptieren, während du ihre Prämissen zurückweist. Und du sagst, sie sei nicht logisch? Wo stehst du, Schatten im Zwielicht?
Du musst Entscheidungen treffen, aber hier ist noch eine harte Wahrheit: Du kannst nicht sein, was immer du sein willst. Die Liste der Dinge, die du niemals sein wirst, ist lang - selbst wenn du ewig lebst. Willst du wissen, was ganz oben steht? Der milde Kräuterkundige. Du bist so zahm wie ein Wolf, Kylar - und das ist es, was Elene an dir liebt, und das ist es, was sie an dir fürchtet. Du kannst ihr nicht weiterhin sagen, dass alles gut sei, dass diese Verkleidung der Mann ist, der du wirklich bist. Das ist nicht wahr. Warum vertraust du Elene nicht genug, um sie zu bitten, den Mann zu lieben, der du wirklich bist?«
»Weil ich ihn hasse!«, brüllte Kylar. »Weil er das Töten liebt! Weil Elene das Böse nicht versteht, und er versteht es sehr wohl. Weil er sich niemals so lebendig fühlt wie dann, wenn er in Blut gebadet ist. Weil er ein Virtuose mit dem
Schwert ist und ich liebe, was er tun kann. Weil er der Nachtengel ist, und der Engel ist in der Nacht, und die Nacht ist in mir! Weil er der Schatten ist, der wandelt. Weil er glaubt, dass einige Menschen nicht gerettet, sondern nur aufgehalten werden können. Weil ich, wenn er einen bösen Menschen tötet, nicht nur die Freude der Meisterschaft verspüre, ich spüre die Freude der ganzen Welt über die Vergeltung - ein böser Mensch ist ein Affront, und ich lösche den
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