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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Schandfleck aus. Ich bringe das Ungleichgewicht ins Gleichgewicht. Er liebt das - und um diesen Mann zu verstehen, müsste Elene die Unschuld verlieren, die ich an ihr liebe.«
    »Dieser Mann«, sagte Dorian und stieß Kylar gegen die Brust, »und dieser« - er stieß Kylar gegen die Stirn - »sind auf dem Weg in den Wahnsinn. Lass dir das von jemandem gesagt sein, der Bescheid weiß.«
    »Ich kann mich ändern«, entgegnete Kylar, aber seine Stimme klang hoffnungslos.
    »Ein Wolf mag ein Wolfshund werden, Sohn, aber er wird niemals ein Schoßhund sein.«
     
     
    »Wir befinden uns im Krieg«, sagte Sprecherin Istariel Wyant. Ihre Stimme war nasal, ihr Akzent hochalitaerisch. Sie liebte es, solche Feststellungen zu machen.
    Ariel zwängte ihre Körperfülle auf einen zu kleinen Stuhl im Büro der Sprecherin, hoch oben im Alabaster-Seraph. Sie schnaufte vom Aufstieg die Treppe hinauf. Eine Mahlzeit am Tag, bis ich es hier heraufschaffe, ohne zu keuchen. Eine.
    Manchmal hasste Ariel Fleisch, hasste es, an etwas so Schwaches und Bedürftiges gekettet zu sein. Es brauchte so viel Pflege, so viel sklavische Hingabe und wollte so sehr verhätschelt werden. Es war eine ständige Ablenkung von
wichtigeren Dingen wie zum Beispiel der Frage, was die Sprecherin von ihr wollte.
    Istariel Wyant war eine hochgewachsene, herrische Frau mit einer Patriziernase und Brauen, die sie zu dünnen Linien zupfte. Sie hatte knotige Gelenke, die sie eher schlaksig als gertenschlank wirken ließen, und trotz ihres verkniffenen, mittelalten Gesichts hatte sie das schönste lange blonde Haar, das Ariel je bei einer Frau gesehen hatte. Istariel liebte ihr Haar. Nicht wenige der Schwestern tuschelten, dass sie irgendeine verlorene Magie wiederentdeckt haben müsse, um es so dicht und glänzend zu machen. Es war natürlich nicht wahr, Istariels Mutter hatte das gleiche Haar gehabt. Es war einer der Gründe, warum ihr Vater sie nach dem Tod von Ariels Mutter geheiratet hatte. Außerdem verfügte Istrariel gar nicht über so viel Magie.
    »Bei diesem Krieg geht es nicht einfach darum, was es bedeutet, eine Maja zu sein, sondern darum, was es bedeutet, eine Frau zu sein.«
    Als sie den unverhohlen ironischen Ausdruck auf Ariels Gesicht sah, änderte Istariel ihre Taktik. »Wie ist es dir ergangen, Schwester?«
    Natürlich wurde jede volle Maja als Schwester angeredet, aber Istariel gab dem Wort eine gewisse Wärme. Wenn sie es in Bezug auf Ariel benutzte, ging das Wort »Schwester« zurück auf die angeblich friedvollen Tage ihrer gemeinsamen Jugend vor etwa fünfzig Jahren. Ganz eindeutig, Istariel wollte etwas.
    »Gut«, antwortete Ariel.
    Istariel versuchte es tapfer noch einmal. »Und welche Fortschritte machen deine Studien?«
    »Die letzten zwei Jahre waren wahrscheinlich eine absolute Verschwendung«, erwiderte Ariel.

    »Immer noch dieselbe alte Ariel.« Istariel bemühte sich um einen unbeschwerten Tonfall, als sei sie erheitert, aber sie gab sich nicht genug Mühe, um überzeugend zu klingen. Wahrscheinlich dachte sie, dass Ariel eine raffiniert dosierte soziale Kränkung nicht wahrnahm, weil sie selbst keine benutzte.
    Als sie noch jünger gewesen waren und Ariel sich mehr dafür interessiert hatte, was ihre aristokratische jüngere kleine Schwester von ihr hielt, war es für sie eine bittere Ironie gewesen. Die beinahe geniale Begabung, mit der Istariel sofort die Männer und Frauen um sie herum verstand, hatte sich nie auf Ariel erstreckt, mit der sie so viel Zeit verbrachte. Wenn Istariel sie anschaute, sah sie Ariels breites, bäuerliches Gesicht und die dicken Bauerngliedmaßen, ihren Mangel an gesellschaftlichem Schliff und an Anteilnahme an den wichtigen Dingen - Privilegien, Macht und Stellung -, und sie sah eine Bäuerin. Istariel dachte, sie verstehe Ariel, daher hatte sie aufgehört, überhaupt über sie nachzudenken. Jetzt gestattete sie sich sogar, einen schnellen Blick auf Ariels Körper zu werfen.
    »Ja, ich bin fett geworden«, sagte Ariel.
    Istariel errötete. Wie sie es hassen muss, dass ich ihr immer noch das Gefühl geben kann, ein Kind zu sein. »Nun«, begann Istariel, »ich … ich nehme an, du hast ein klein wenig …«
    »Und wie geht es dir, Sprecherin?«, unterbrach Ariel sie. Wie kam es, dass sie die vierundachtzig Variationen des symbelinischen Gewebes meistern konnte, aber nicht imstande war, Konversation zu machen? Gewiss sollte leichtes Geplauder sich auf vielleicht einige hundert typische Fragen reduzieren

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