Am Rande Der Schatten
glaube nicht, dass wir uns so viel wirklich leisten können«, erklärte Elene. »Ich wollte einfach den Tag mit dir verbringen.« Sie lächelte. Vielleicht war es einfach ein Stimmungsumschwung. Stimmungsumschwünge mussten eine positive Seite haben, richtig?
»Oh«, sagte er. Er fühlte sich nur ein klein wenig verlegen, weil er ihre Hand hielt. Zuerst hatte er das Gefühl gehabt, als starrten alle sie an. Jetzt sah er jedoch, dass nur wenige Leute ihnen einen zweiten Blick zuwarfen, und von denen schienen die meisten ihr Verhalten zu billigen.
»Aha!«, brüllte ein rundlicher kleiner Mann ihnen zu. »Perfekt. Perfekt. Absolut entzückend. Wunderbar. Ja, ja, kommt herein.«
Kylar war so überrascht, dass er sich nur mit knapper Not daran hindern konnte, das Gesicht des Mannes mit einigen schnellen Handbewegungen neu zu arrangieren. Elene lachte und stieß Kylar den Ellbogen in die angespannten Muskeln seines Arms. »Komm schon, Großer«, sagte sie. »Wir gehen einkaufen. Es macht Spaß.«
»Spaß?«, fragte er, während sie ihn in den kleinen, gut beleuchteten Laden zog.
Der fette kleine Mann übergab sie einem hübschen Mädchen von vielleicht siebzehn Jahren, das ihnen strahlend zulächelte. Sie war zierlich, mit einer schlanken Figur, betörend blauen Augen und einem großen Mund, der ihr Lächeln noch breiter wirken ließ. Es war Goldlöckchen. Kylar riss die Augen auf, als sich seine Tageslichtwelt und seine Schattenwelt plötzlich überlappten.
»Hallo«, sagte Goldlöckchen. Sie schaute auf die Eheringe an ihren Händen hinab. »Ich bin Capricia. Seid Ihr schon einmal bei einem Ringmacher gewesen?«
Nachdem Kylar einige Augenblicke geschwiegen hatte, bohrte Elene ihm sanft einen Ellbogen in die Rippen. »Nein«, sagte sie.
Kylar blinzelte. Elene sah ihn kopfschüttelnd an und dachte offenkundig, dass er Capricia angaffte, aber sie wirkte nicht ärgerlich, nur verwundert. Er schüttelte den Kopf: Nein, es ist nichts in der Art.
Sie zog eine Augenbraue hoch. Klar.
»Nun, dann lasst uns vorn anfangen«, sagte Capricia, bevor sie eine breite, mit schwarzem Samt ausgelegte Schublade aufzog und auf die Theke legte. Die Schublade war gefüllt mit winzigen, paarweise angeordneten Ringen aus Gold, Silber und Bronze, einige geschmückt mit Rubinen, Granaten, Amethysten, Diamanten oder Opalen, einige schlicht, einige gemasert. »Ihr habt in der ganzen Stadt Leute gesehen, die diese Ringe tragen, richtig?«
Elene nickte. Kylar sah sie verständnislos an. Dann sah er Capricia an. Sie trug keinen solchen Ring, zumindest konnte er keinen sehen. Waren es Zehenringe? Er stellte sich auf die Zehenspitzen, um über die Theke auf Capricias Füße blicken zu können.
Capricia ertappte ihn dabei und lachte. Sie hatte die Art Lachen, die in einem den Wunsch weckte einzustimmen, auch wenn sie den Betreffenden auslachte. »Nein, nein«, sagte sie. »Ich trage keinen! Ich bin nicht verheiratet. Warum schaut Ihr auf meine Füße?«
Elene schlug sich an die Stirn. »Männer!«
»Oh«, sagte Kylar. »Das sind Ohrringe!«
Capricia lachte abermals.
»Was?«, fragte er. »Wo wir herkommen, tragen Frauen zueinander passende Ohrringe. Diese da haben alle unterschiedliche Größen.«
Die Mädchen lachten noch lauter, und da dämmerte es ihm. Die Ohrringe waren nicht für Frauen bestimmt; sie waren für Paare. Einer für den Mann, einer für die Frau. »Oh«, murmelte er.
Das würde all die Männer erklären, die er Ohrringe hatte tragen sehen. Er runzelte die Stirn. Er hätte sagen können, welche Männer Waffen in ihrer Kleidung verbargen, und er wusste, wie gut sie damit umgehen konnten; was scherte es ihn, was sie in ihren Ohren trugen?
»Donnerwetter. Sieh dir die mal an«, sagte Elene und deutete auf ein Paar silbrig-goldener, funkelnder Ringe, die verdächtig teuer aussahen. »Sind die nicht wunderschön?« Sie wandte sich an Capricia. »Werdet Ihr uns alles über die Ringe erzählen? Wir sind, ähm, nicht recht vertraut mit der Tradition.« Die beiden sahen Kylar auffälligerweise nicht an.
»Wenn ein Mann hier in Waeddryn eine Frau zu heiraten wünscht, kauft er ein Paar Ringe und schenkt sie ihr. Natürlich gibt es eine öffentliche Zeremonie, aber die Hochzeit selbst ist eine private Angelegenheit. Ihr zwei seid bereits verheiratet, richtig?«
»Richtig«, sagte Kylar. »Wir sind nur neu in der Stadt.«
»Nun, wenn Ihr auf die waeddrynische Art heiraten wollt, aber vielleicht nicht das Geld für eine
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