Am Rande Der Schatten
Unsterblichhkeit geschenkt habe, aber als sie ihn sah... Es war das Beängstigendste, was ich je gesehen habe, Kylar. Ich meine, ich bin praktisch von der Frau großgezogen worden, und ich habe sie noch nie so erlebt. Hysterisch, weinend und schreiend - da stehen wir, mitten in der bewölkten Nacht, wir waren mit in Wolle gewickelten Rudern zur Vos-Insel hinausgepaddelt, und sie fängt an zu heulen, völlig von Sinnen. Ich war so davon überzeugt, dass eine Patrouille kommen würde, dass ich die Insel sofort verlassen wollte, aber sie wollte nicht aufbrechen, bevor er wieder genauso dalag, wie du ihn zurückgelassen hattest.«
Als ob es Kylar scherte, dass Durzo auf diesem verdammten Felsen blieb. Wenn sie ihn schon ausgraben mussten, hätten sie ihn zumindest … Wohin hätten sie ihn bringen sollen? Nach Hause? Welches Zuhause hatte Durzo Blint je gehabt?
»Wie hat er ausgesehen?«, fragte Kylar leise.
»Scheiße. Er hat ausgesehen, als hätte er eine Woche im Boden gelegen, was denkst du denn?«
Natürlich hatte er so ausgesehen. Verdammt, Master Blint, warum musstet Ihr Eure Unsterblichkeit mir schenken? Wart Ihr des Lebens einfach überdrüssig? Warum habt Ihr mir nichts gesagt? Aber andererseits hatte er es ihm vielleicht in dem Brief gesagt, den er Kylar gegeben hatte: dem Brief, der mit Blut durchtränkt und unleserlich gemacht worden war. »Du willst, dass ich in das Loch einbreche und Logan rette?«
»Weißt du, wen der Gottkönig sich als Konkubinen hält? Junge Mädchen aus adligen Familien. Er bevorzugt Jungfrauen. Er schätzt ab, wie viel Demütigung und Entwürdigung ein jedes Mädchen verkraften kann. Steckt sie in Turmzimmer mit Balkonen, von denen die Geländer abgerissen wurden, sodass jeden Tag der Sprung lockt. Für ihn ist es ein Spiel.«
Kylar antwortete ihm mit bewusst harter Stimme. »Komm zur Sache.«
»Er hat Serah und Mags Drake geholt. Serah hat sich in der ersten Woche das Leben genommen. Mags ist noch dort.«
Serah und Mags waren praktisch Kylars Schwestern. Mags war immer seine Freundin gewesen. Immer schnell bereit zu einem Lachen, immer lächelnd. Er war seit dem Staatsstreich so mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass er kaum an sie gedacht hatte.
Jarl sagte: »Ich will, dass du Logan rettest, und dann will ich, dass du den Gottkönig tötest.«
»Ist das alles?« Hervorgestoßen mit kalter Erheiterung. Es war ein Tonfall, den Kylar Durzo Hunderte von Malen hatte benutzen hören. »Lass mich raten, Logan zuerst, weil meine Chancen beim Gottkönig nicht so großartig sind?«
»Das ist richtig«, erwiderte Jarl wütend. »Das ist die Art, wie ich denken muss, Kylar. Ich kämpfe in einem Krieg, und bessere Menschen als wir sterben jeden Tag darin. Und du sitzt herum, weil dir wichtig ist, was irgendein Mädchen denkt?«
»Sprich nicht über Elene.«
»Oder was? Du wirst mich schwer anhauchen? Du bist der Trottel, der der Gewalt abgeschworen hat. Ja, das weiß ich. Lass mich dir etwas erzählen. Roth hat vielen Leuten das Leben schwer gemacht. Ich bin froh, dass du ihn getötet hast, in Ordnung? Er hat mir übel mitgespielt. Aber seinem Vater konnte er nicht das Wasser reichen.« Jarl fluchte. »Sieh dich doch an! Ich weiß, dass dieser Auftrag unmöglich ist. Ich schicke dich zu einem Gott. Aber wenn irgendjemand auf der Welt es tun kann, dann bist du es. Du wurdest dafür geschaffen, Kylar. Denkst du, du hättest all die Scheiße überstanden, die du hinter dich bringen musstest, um Katertränke zu verkaufen? Manche Dinge sind größer als Glück, Kylar. Du kannst einer ganzen Nation Hoffnung schenken.«
»Es wird mich nur alles kosten«, flüsterte Kylar. Sein Gesicht war grau.
»Du bist ein Unsterblicher. Es wird andere Mädchen geben.«
Kylar bedachte ihn mit einem angewiderten Blick.
Jarls Gesichtsausdruck veränderte sich sofort. »Es tut mir leid. Ich schätze, es wird auch andere Gottkönige und andere Shingas geben. Ich... wir brauchen dich. Logan wird sterben, wenn du nicht kommst. Und Mags wird sterben. Und eine Menge anderer Leute, die du niemals kennenlernen wirst.«
Es wäre einfacher gewesen, hätte er allem, was Jarl sagte, widersprechen können. Kylar hatte Momma K gefragt: Kann
ein Mann sich ändern ? Hier war seine Antwort, und sie saugte ihm alles Leben aus dem Leib. »In Ordnung«, sagte Kylar. »Ich werde den Auftrag annehmen.«
Jarl lächelte. »Es ist gut, dich zurückzuhaben, mein Freund.«
»Es ist schlecht, zurück zu sein.«
»Ich
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