Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
dies war Durzos Lehrling, der Mann, der Durzo getötet hatte. Furcht ergriff sie.
    Jarls Gesicht spiegelte Mitgefühl und Kummer wider. Bei diesem Ausdruck - diesem Ausdruck, den sie zuvor gesehen hatte, wenn Jarl sich um sie gekümmert hatte, nachdem Hu Gibbet da gewesen war, um die neuen Fähigkeiten zu testen, die Momma K sie gelehrt hatte, und Hu ihre Darbietung
mangelhaft gefunden und sie besinnungslos geschlagen und auf jede Weise, die er ersinnen konnte, geschändet hatte - bei diesem Ausdruck wurden Vis Augen trüb. Sie blinzelte und blinzelte, und sie weigerte sich zu glauben, dass es Tränen waren. Sie hatte seit jener Nacht nicht mehr geweint, seit Jarl sie im Arm gehalten, sie gewiegt und ihr geholfen hatte, die zerbrochenen Teile ihrer selbst wieder zusammenzufügen.
    Jarl stand auf und trat ans Fenster. Er hob den Blick und sah Vi, ihre dunkle Silhouette umrandet vom Sonnenlicht. Überraschung leuchtete in seinen Augen auf, und als der Überraschung Wiedererkennen folgte - welcher andere Blutjunge hatte die Silhouette einer Frau? -, hätte sie schwören können, ihren Namen auf seinen Lippen zu sehen. Ihre Finger wurden schlaff, und die Bogensehne glitt ihr weg.
    Der schwarz-rote Verräterpfeil sprang über den schmalsten aller Abgründe: die Entfernung zwischen einem Blutjungen und seiner Leiche. Der Pfeil schnitt einen roten Pfad durch die Luft, als blute die Nacht selbst.

26
    »Elene, es tut mir leid«, schrieb Kylar mit zittriger Hand. »Ich habe es versucht. Ich schwöre, ich habe es versucht. Einige Dinge sind mehr wert als mein Glück. Einige Dinge kann nur ich tun. Verkaufe diese Ringe an Master Bourary und zieh mit der Familie in einen besseren Stadtteil. Ich werde dich immer lieben.« Er nahm die Schachtel mit den Ringen aus seiner Tasche und legte sie auf den Fetzen Pergament.

    »Was ist in der Schachtel?«, fragte Jarl.
    Kylar konnte seinen Freund nicht ansehen. »Mein Herz«, flüsterte er und löste langsam die Finger von der Schachtel. »Nur ein Paar Ohrringe«, sagte er lauter. Dann drehte er sich um.
    Jarl schaute mitten durch ihn hindurch. »Du wolltest sie heiraten«, sagte er.
    Ein Kloß stieg Kylar in die Kehle. Es gab keine Worte. Er musste den Blick von Jarls Augen abwenden. »Hast du jemals von Kreuzigung gehört?«, fragte er schließlich.
    Jarl schüttelte den Kopf.
    »Das ist die Art, wie Alitaeri Rebellen hinrichten. Sie spannen sie auf ein Holzgerüst und schlagen Nägel durch ihre Handgelenke und Füße. Um zu atmen, muss der Verbrecher sein Gewicht von den Nägeln heben. Manchmal braucht ein Mann einen Tag zum Sterben, erstickt von seinem eigenen Gewicht.« Er konnte die Metapher nicht zu Ende spinnen, obwohl er spüren konnte, wie seine Glieder gereckt wurden, ein Rebell gegen das Schicksal in einem bösartigen Universum, darauf bedacht, alles Gute zu erdrücken, gespannt zwischen Logan und Elene, an jeden genagelt mit geschuldeter Loyalität und ächzend unter dem erdrückenden Gewicht seines eigenen Charakters. Aber es waren nicht nur Elene und Logan, die ihn hier auseinanderrissen. Es waren zwei Leben, zwei Pfade. Der Weg der Schatten und der Weg des Lichts. Der Wolf und der Wolfshund. Oder waren es Wolfshund und Schoßhund?
    Kylar hatte gedacht, dass er sich ändern könnte. Er hatte gedacht, er könnte alles haben. Er war kopfüber in ein Entweder-Oder gestürzt und hatte sich für beides entschieden. Das war es, was ihn ans Kreuz getrieben hatte - nicht die Machenschaften eines ränkeschmiedenden Gottes oder das
unversöhnliche Rollen des Schicksalsrades. Kylars Möglichkeiten waren immer weiter und weiter auseinandergespreizt worden, und er hatte sich festgeklammert, bis er nicht mehr atmen konnte. Nur eine Frage zählte jetzt noch: Was für eine Art Mann bin ich?
    »Lass uns gehen«, sagte Kylar, ganz der Wolfshund.
    Jarl stand nachdenklich am Fenster. »Ich war einmal verliebt«, erwiderte er. »Oder etwas in der Art. In ein schönes Mädchen, das beinahe genauso verkorkst war wie ich.«
    »Wer war sie?«, fragte Kylar.
    »Ihr Name war Viridiana, Vi. Schön, so schön …« Jarl blickte auf und versteifte sich. »Vi?«
    Er brach in einer Flut von Blut zusammen, als ein Pfeil sich durch seinen Hals bohrte. Sein Körper fiel wie ein Mehlsack auf den Holzboden. Er blinzelte einmal. Seine Augen verrieten weder Furcht noch Wut. Sein Gesichtsausdruck war ironisch.
    Kannst du das glauben? , fragten seine Augen, während Kylar ihn auf den Schoß zog.
    Und dann sagten

Weitere Kostenlose Bücher