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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Antwort. Das Essen stand kalt auf der Theke, das Gelee, das Kylar gemacht hatte, geronnen und rissig. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Jeder Atemzug kostete Anstrengung. Tante Mea wirkte entsetzt.
    Elene rannte die Treppe hinauf und tastete hektisch nach der Truhe, in der Kylars Blutjungen-Kleidung und sein großes Schwert gelegen hatten. Sie war leer. Es war nichts zu sehen.
    Als sie wieder nach unten ging, dämmerte ihr die Wahrheit so langsam wie das Untergehen der Sonne.
    »Wird alles gut mit uns werden?«, hatte sie ihn gefragt.
    »Nach heute Abend, ja«, hatte er gesagt, ohne zu lächeln.
    Kylars Ehering lag neben dem Herd. Da war kein Brief, nichts sonst. Selbst Uly war weg. Kylar hatte sie zu guter Letzt doch aufgegeben. Er war fort.

     
     
    Vi zog das zappelnde Kind von ihrer Schulter, als sie in den Stall des schäbigen Gasthauses kamen, wo sie ihr Pferd untergestellt hatte. Der Stalljunge lag bewusstlos und blutend neben der Tür. Er würde wahrscheinlich überleben. Es spielte keine Rolle; er hatte Vi nicht gesehen, bevor sie ihm mit dem Knauf ihres kurzes Schwerts auf den Kopf geschlagen hatte.
    Das Mädchen kreischte durch den Lumpen, den Vi ihr über den Mund gebunden hatte. Vi kniete nieder und packte mit einer Hand die Kehle des Mädchens. Sie zog den Knebel heraus.
    »Wie heißt du?«, fragte Vi.
    »Fahr zur Hölle!« Die Augen des Mädchens blitzten trotzig. Sie konnte nicht älter als zwölf sein.
    Vi schlug ihr hart ins Gesicht. Dann schlug sie sie wieder und wieder und wieder, leidenschaftslos, so wie Hu sie selbst geschlagen hatte, wenn er sich langweilte. Als das Mädchen wegzukommen versuchte, verstärkte sie ihren Griff um ihre Kehle, und die Drohung war deutlich: Je mehr du zappelst, umso weniger Luft bekommst du.
    »Schön, Fahr Zur Hölle, willst du, dass ich dich so nenne, oder hast du einen anderen Namen?«
    Das kleine Mädchen beschimpfte sie abermals. Vi riss sie an sich und hielt ihr eine Hand auf den Mund. Mit der anderen Hand fand sie einen Schmerzpunkt in einem der Ellbogen des Mädchens und grub die Finger hinein.
    Das Mädchen schrie in ihre Hand.
    Warum habe ich sie noch nicht getötet?
    Der Auftrag war wunderbar gelaufen. Kylar hatte Jarls Leichnam mitgenommen, nachdem er sich für die Jagd bewaffnet hatte. Vi hatte nur hier und da einen Blick auf Klingen werfen können, die in eine Scheide geschoben wurden und verschwanden
- gewiss war es ein Trugbild des Lichts und der Entfernung, Kylar konnte nicht wirklich unsichtbar sein. Wie auch immer, nach einer Weile hatte er Jarls Leichnam genommen, und Vi war ins Haus gegangen.
    Sie hatte beabsichtigt, einige Fallen zu stellen. Es gab ein perfektes Kontaktgift, das sie auf den Türriegel seines Schlafzimmers streichen könnte, und eine Nadelfalle, die perfekt in die kleine Truhe unter dem Bett passen würde. Aber sie konnte es nicht tun. Immer noch benommen von der Ermordung Jarls, ging sie wie ein gewöhnlicher Einbrecher im Haus umher.
    Vi fand einen Brief und ein Paar Ohrringe, die teuer aussahen - das stand in dem Brief -, obwohl sie seltsamerweise nicht zusammenpassten und einer größer war als der andere. Sie steckte beides ein, fasste den dünnen, goldenen Ehering neben dem Herd jedoch nicht an. Sollte die glückliche kleine Familie ihre Erbstücke behalten. Sie war sich nicht sicher, was der Brief zu bedeuten hatte. Kylar hatte es versucht? Versucht, Jarl zu beschützen?
    Die Tür wurde geöffnet. Vi war überrascht, als das kleine Mädchen hereingekommen war. Vi fesselte und knebelte es, dann betrachtete sie das Durcheinander, das sie sich eingebrockt hatte.
    Sie war fertig. Sie konnte dieses Kind nicht töten. Sie konnte nicht einmal Kylar töten. Nein, das war nicht wahr, sie war davon überzeugt, dass sie Kylar nach wie vor töten konnte. Die einzige Möglichkeit, dem Gottkönig lebend zu entkommen, bestand darin, ihm eine Freude zu bereiten. Er würde erfreuter sein, wenn sie Kylar lebend bei ihm ablieferte. Wenn sie das tat, würde der Gottkönig ihre Schwäche niemals durchschauen. Sie würde sich Zeit erkaufen, um zu finden,
was immer es war, das sie gebrochen hatte, während sie Jarl in einer Gischt aus Blut hatte sterben sehen.
    Vi ging zurück in Kylars Schlafzimmer. Mit feiner, leichter Handschrift schnitzte sie das Zeichen der cenarischen Sa’kagé in den Nachttisch. Darunter schrieb sie: »Wir haben das Mädchen.« Wenn Kylar zurückkam, würde er feststellen, dass seine Tochter verschwunden war, und er

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