Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)
geäußert. Warum haben Sie das getan?«
»Ich hatte das Gefühl, dass es nötig war. Ich glaube nicht, dass Dan jemals so etwas tun könnte – einen Menschen töten. Und ich denke, hier ist einfach ein Fehler passiert.«
»Mr Stockbridge hat allerdings gestanden, dem Opfer einen Schlag versetzt zu haben. Können Sie sich das vorstellen?«
»Ja, eventuell. Er war an diesem Abend ziemlich aufgebracht und fühlte sich sehr gedemütigt.«
Kylie ließ diese Aussage unkommentiert im Raum stehen. »Während Sie draußen vor dem Club auf Mr Stockbridge warteten, ist da irgendetwas geschehen?«, fragte sie ganz neutral, nicht auf irgendetwas hinleitend.
»Ein Mann hat sich an mir vorbeigedrängt. Im Laufschritt, glaube ich.« Sie sagte das in bestimmtem Ton, denn es stimmte ja, oder? Sie erinnerte sich daran – zumindest an das meiste davon.
»Haben Sie das Gesicht dieses Mannes gesehen?«
»Nicht richtig. Es war ein Weißer. Und er hatte einen kahlrasierten Kopf, glaube ich.«
»Nun.« Kylie sah die Geschworenen mit großen blauen Augen an. Voilà, ein neuer Aspekt. »Miss Miller, Sie haben, soweit ich weiß, in der Zwischenzeit Ihren Arbeitsplatz verloren. Können Sie uns sagen, weshalb es dazu kam?«
»Ich war am Boden zerstört wegen der Sache mit Dan«, sagte sie. Sie konnte nicht anders, sie musste zu ihm hinübersehen, gelbgesichtig und gebeugt. Er wusste noch nichts von ihrer Kündigung.
»Und womit verdienen Sie seither Ihren Lebensunterhalt?«
»Ich arbeite als Kellnerin«, sagte Charlotte trotzig. Sollten die doch von ihr denken, was sie wollten. »Und ich habe meinen Verlobungsring verkauft.«
»Man kann also durchaus sagen: Sie mussten auf Ihre Hochzeit verzichten, haben Ihren Verlobungsring und Ihren Arbeitsplatz eingebüßt und wurden darüber hinaus auch noch auf der Straße und zu Hause belästigt. Ja?«
»Ja.«
»Miss Miller, darf ich Sie fragen: Wollen Sie Mr Stockbridge nach alldem immer noch heiraten?« Sie nannte ihn ganz bewusst nicht »den Angeklagten«.
»Hohes Gericht, inwiefern ist das von Belang?«, fragte Adam Hunt.
Kylie konterte: »Liebe? Hohes Gericht, ich denke doch, Liebe ist immer von Belang.«
Vereinzeltes Gekicher im Saal.
»Fahren Sie fort, Miss McCausland«, erwiderte der Richter trocken.
»Also, Miss Miller: Wollen Sie?«
Charlotte ließ den Blick noch einmal durch den Saal schweifen, und dort saß er, ganz hinten, in der Nähe des Ausgangs. Sie erhaschte einen Blick in seine grünen Augen, und es überlief sie heiß und kalt. Oh, es tut mir leid. Es tut mir so leid.
»Natürlich«, sagte sie und wandte den Blick von Hegarty ab. »Natürlich will ich das.«
Adam Hunt erhob sich gereizt. »Dieser Mann, der sich angeblich an Ihnen vorbeigedrängt hat, Miss Miller … Sie standen zu diesem Zeitpunkt ja unter Drogeneinfluss, nicht wahr?«
»Das habe ich ja bereits gesagt. Ja.«
»Sie können sich dessen also nicht sicher sein.«
Charlotte zwang sich zu lächeln. »Ich bin mir da so sicher wie bei allem anderen, was ich hier ausgesagt habe.«
»Hm. Das ist alles. Danke.«
Hegarty
Hegarty mochte ihn nicht, diesen Adam Hunt. Der Staatsanwalt war nett zu ihm, als wollte er zeigen, dass er die Polizei respektierte, aber das war kein richtiger Respekt, denn er war der Staatsanwalt und Hegarty nur ein kleiner Kriminalbeamter.
»Guten Morgen, Officer«, sagte er mit seinem echsenhaften Lächeln. Es war der zweite Prozesstag, und im Gerichtssaal herrschte gespanntes Schweigen. »Sie waren im Fall Kingston Town der festnehmende Beamte, richtig?«
»Ja.« Gute Güte, Stockbridge sah sogar noch schlechter aus als am ersten Tag. Charlotte saß unter den Zuschauern, blass und besorgt blickend. Ihm gegenüber: Adam Hunt und die wachsame Kylie.
»Schildern Sie uns bitte Schritt für Schritt, was in dieser Nacht geschah.«
Hegarty ging es noch einmal durch: der Anruf auf dem Revier, dass er daraufhin in den Club gestürmt war, das Büro mit dem Mann darin, bei dem er sich einen Moment lang nicht sicher war, ob er noch lebte, und deshalb in das Blut hineintrat, das den Boden bedeckte.
»Zusammenfassend könnte man also sagen: Sie reagierten auf einen Notruf, da Sie gerade in der Gegend waren?«
»Ja.«
»Und als Sie das Büro betraten, was sahen Sie da?«
»Blut. Sehr viel Blut.« Er wusste noch, dass die Röte des Bluts ihn schockiert hatte. Es war so rot, dass es falsch aussah, wie Ketchup. »Wir stellten fest, dass das Opfer eine Stichverletzung am Hals erlitten
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